Eine dritte Karriere in Bosnien?

Oft sitzt er zusammengesunken am Tisch. Und die Verhandlungspartner glauben schon, er sei nicht bei der Sache. Doch plötzlich macht er einen Vorschlag, der den Nagel auf den Kopf trifft. Christian Schwarz-Schilling hat sich in Bosnien seit 1995 viele Meriten erworben: als engagierter Menschenrechtler, als Sonderverhandler für knifflige Konflikte auf lokaler Ebene. Er kennt das Land, Leute und Politiker wie seine Westentasche. Der Ostasienspezialist, Geschäftsmann und CDU-Politiker geht jetzt seiner dritten Karriere entgegen. Denn die neue Bundesregierung hat ihn zum Nachfolger des bisherigen Hohen Repräsentanten der internationalen Gemeinschaft in Bosnien und Herzegowina, Paddy Ashdown, vorgeschlagen. Dieser Posten entspricht dem eines Präsidenten in anderen Ländern.

Dabei war Schwarz-Schilling der Weg nach Bosnien nicht vorgezeichnet. Denn nach dem Studium war er in seiner ersten Karriere Geschäftsführer einer Akkumulatorenfabrik, bevor er in die hessische CDU einstieg. Als Mitglied des Bundestages 1976 und als späterer Postminister unter Helmut Kohl galt der Vater von zwei Kindern eher als Interessenvertreter der Industrie denn als Menschenrechtler.

Doch 1992, als serbische Armeen Bosnien überrannten und zehntausende von Menschen ermordeten, kam es zum Konflikt mit Kohl. Schwarz-Schilling forderte eine eindeutige Position des demokratischen Deutschland. Und bekam sie nicht. Im Dezember desselben Jahres schied er unter Protest aus dem Kabinett und engagierte sich für die bedrängten Menschen in den Enklaven Bihac und Srebrenica. 1993 war er an den Gesprächen beteiligt, die im Frühjahr 1994 den kroatisch-muslimischen Krieg beenden halfen.

Schwarz-Schilling hat in Bosnien und Herzegowina einen guten Ruf. „Mein großer Schatz ist der Vertrauensvorschuss, den die Bosnier mir entgegenbringen“, sagte Schwarz-Schilling der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung. Bosnien stehe zehn Jahre nach dem Friedensabkommen von Dayton an einer Weiche, nämlich der Annäherung an Nato und EU, erklärte er.

Das Mandat des Briten Paddy Ashdown, der die ersten Schritte für eine Verfassungsänderung eingeleitet hat, läuft am Jahresende aus. Konkurrenz – drei weitere KandidatInnen aus Italien, Tschechien und den Niederlanden – braucht der Deutsche nicht zu fürchten. Die Chancen, Ende November vom Europäischen Rat bestätigt zu werden und eine dritte, internationale Karriere zu beginnen, stehen also für den mit 74 Jahren immerhin nicht mehr ganz jungen Christian Schwarz-Schilling gut. ERICH RATHFELDER

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