Aung San Suu Kyi beansprucht die Macht

Birma Die Friedensnobelpreisträgerin will alle Entscheidungen über die neue Regierung selbst treffen

Aung San Suu Kyi ikonenhaft auf einem Plakat Foto: Olivia Harris/reuters

AUS RANGUN Verena Hölzl

Birmas Oppositionsführerin Aung San Suu Kyi rechnet nach den erfolgreichen Wahlen mit der absoluten Mehrheit ihrer Partei im neuen Parlament. „Wir dürften 75 Prozent der Mandate gewonnen haben“, sagte sie am Dienstag der BBC. Das wären 368 Sitze. Da das Militär ein Viertel der Abgeordnetensitze ohne Wahl besetzt, käme Aung San Suu Kyis Nationale Liga für Demokratie (NLD) bei einem solchen Ergebnis auf 56 Prozent der Sitze.

Die Wahlkommission hatte bis Dienstagabend erst knapp ein Fünftel der Wahlkreise ausgezählt. Danach gewann die NLD 78 von 88 Mandaten. Die bisherige militärnahe Regierungspartei USDP hatte erst 5 Sitze gewonnen. Sie gestand ihre Niederlage bereits ein. Sogar aussichtsreiche Kandidaten der Partei wurden von den Wählern abgestraft. Manche gratulierten bereits ihren NLD-Kontrahenten.

Die Wahlbeobachter zeigten sich weitgehend zufrieden mit den Wahlablauf am Sonntag. Die Wahlen seien gut organisiert gewesen und die Bürger hätten zwischen verschiedenen Kandidaten wählen können, erklärte Alexander Graf Lambsdorff, Chef der 150 EU-Beobachter, am Dienstag vor der Presse in Rangun. Doch Lambsdorff warnte auch: „Die Wahlen sind noch nicht vorbei.“ Es würden noch Stimmen ausgezählt werden, was ein kritischer Teil des Prozesses sei.

Anders als ursprünglich angekündigt waren keine internationalen Wahlbeobachter zur sogenannten Vorauswahl zugelassen worden. Bürger, die im Ausland leben oder am Wahltag zum Beispiel als Polizisten im Einsatz sind, durften dabei vorab ihnen Wahlzettel abgeben. Bei den als gefälscht geltenden Wahlen 2010 waren vor allem diese Stimmen zugunsten der USDP manipuliert worden. Die EU-Wahlbeobachter lehnten es zudem ab, die Wahlen als echt demokratisch zu bezeichnen, weil ein Viertel der Sitze im Parlament weiter dem Militär vorbehalten ist.

Darüber hinaus kritisierten die EU-Wahlbeobachter, dass Hunderttausende gar nicht abstimmen durften. So wurden die Wahlen in manchen ethnischen Gebieten aus Angst vor Unruhen abgesagt. Auch die muslimische Minderheit der Rohingya, die in Birma systematisch verfolgt wird, war ausgeschlossen.

Das offizielle Ergebnis der Wahl wird erst Ende November erwartet. Die Wahlkommission veröffentlicht bis dahin täglich die Ergebnisse einzelner Wahlkreise.

Die Reaktion des Militärs auf das Ergebnis gilt als Test dafür, wie ernst es die Generäle mit der von ihnen selbst eingeleiteten Demokratisierung wirklich meinen. 2010 brachten sie eine semizivile Regierung ins Amt, die das Land öffnete und Reformen einleitete. Diese waren dem Volk ganz offenbar nicht genug.

„Die Wahlen sind noch nicht vorbei“EU-Wahlbeobachter

Die NLD geht mit ihrem Triumph bisher vorsichtig um. Die Verlierer sollen nicht von den Gewinnern provoziert werden, sich schlecht zu fühlen, rief Aung San Suu Kyi ihre Anhänger auf. Noch immer hat sie sich nicht geäußert, wen ihre Partei als Staatspräsident vorschlagen wird. Die Verfassung verwehrt der Friedensnobelpreisträgerin selbst das Amt, weil sie enge Angehörige mit ausländischer Staatsbürgerschaft hat.

„Ich werde als Vorsitzende der Siegerpartei alle Entscheidungen treffen“, sagte Aung San Suu Kyi im BBC-Interview. „Wenn ich einen Präsidenten aufstellen muss, um der Verfassung zu genügen, werden wir einen finden, aber das hält mich nicht davon ab, die Entscheidungen zu treffen.“ Die Amtszeit des jetzigen Parlaments endet im Januar, die Wahl eine neuen Präsidenten kann bis April dauern.

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