Merkel im Wahlkampf am Mittelmeer

KRISE Ohne Hilfen aus Europa wäre das EU-Mitgliedsland Zypern bald pleite. Deutschland stellt aber Bedingungen

Deutsche Politiker werfen Zypern vor, ein Geldwäscheparadies geschaffen zu haben

VON KLAUS HILLENBRAND

BERLIN taz | Es ist nicht so, dass Präsidentschaftswahlen auf Zypern in der Vergangenheit dazu geführt hätten, dass europäische Spitzenpolitiker darob in größere Aufregung gerieten. Am Freitag aber nahm unter anderen Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) acht Stunden für den Hin- und Rückflug auf sich, um für ganze zwei Stunden an einem Treffen der Europäischen Volksparteien (EVP) im zypriotischen Limassol teilzunehmen. Dort traf sie auf den außerhalb der Insel weitgehend unbekannten Politiker Nikos Anastasiades (66), dem sie alles Gute für die Zukunft wünschte.

Der Einsatz der Kanzlerin verweist darauf, dass das winzige Zypern mit seinen gerade mal 850.000 Einwohnern plötzlich ganz vorn auf der EU-Agenda steht. Denn das Euroland Zypern steht vor der Pleite und hat einen Rettungskredit beantragt. Die Inselrepublik verfügt über einen kommunistischen Präsidenten, dessen Verhalten, jenseits der diplomatischen Sprachregelungen, als bockig bezeichnet wird. Und im nächsten Monat wählen die griechischen Zyprioten seinen Nachfolger.

17,5 Milliarden Euro hat Zypern als Kredit erbeten, davon soll ein Großteil in das marode und aufgeblähte Bankensystem fließen. Denn diese Banken haben sich übel verzockt, kauften etwa griechische Staatsanleihen en gros, die jetzt – nach dem Schuldenschnitt in Athen – nur noch die Hälfte wert sind. Zugleich aber beschuldigen deutsche Politiker von CDU, FDP, SPD und Grünen die Zyprioten, ein Geldwäscheparadies voll schwarzer Konten geschaffen zu haben, in dem russische Oligarchen bequem eine EU-Staatsbürgerschaft erwerben können. „Wenn der Eindruck entsteht, dass die deutschen Steuerzahler für russisches Schwarzgeld in Zypern haften sollen, dann sind Hilfen nicht vermittelbar und auch nicht vertretbar“, sagte FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle dazu am Freitag.

Zypern wehrt sich gegen die Vorwürfe. „Wir halten uns an die Regeln“, sagte Finanzminister Vassos Shiarly in Nikosia. Zugleich veröffentliche die Regierung am Donnerstag eine Stellungnahme ihrer Anti-Geldwäsche-Abteilung, aus der hervorgeht, dass auf der Insel fast alles zum Besten steht.

Tatsächlich hat Zypern sämtliche Regelungen der EU und des Internationalen Währungsfonds (IWF) in der Angelegenheit umgesetzt. Ein Bericht von Moneyval, der Anti-Geldwäsche-Behörde des Europarats, kommt zu dem Schluss, dass Zyperns Gesetze ausreichend sind. Allerding hapere es in einigen Bereichen an der konkreten Umsetzung. Ist der Geldwäsche-Vorwurf also in Wahrheit nur ein böses Gerücht, in die Welt gesetzt, um der linken Regierung in Nikosia zu schaden?

Ganz so ist es auch nicht. Tatsächlich sind die Summen, die etwa aus Russland und der Ukraine auf zypriotische Bankkonten fließen, gigantisch. Das Moskauer Ministerium für wirtschaftliche Entwicklung geht davon aus, dass bis Ende 2011 rund 78 Milliarden US-Dollar aus Russland auf der Insel landeten. Über 2.000 russische Firmen sind auf Zypern registriert – tatsächlich verfügen viele von ihnen maximal über einen Briefkasten. Für den Finanztransfer sorgen insbesondere Doppelbesteuerungsabkommen, die dazu führen, dass auf Zypern ansässige ausländische Firmen nur den geringen Steuersatz von 10 Prozent zahlen müssen – Dumpingsteuern, wie sich EU-Staaten beklagen.

Zyperns Banken müssen verkleinert werden, darin sind sich EU, IWF und die Regierung in Nikosia einig. Kein Konsens besteht dagegen über die Bedingungen, zu denen Zypern den 17,5-Milliarden-Rettungskredit erhalten soll. Merkel besteht darauf, für Zypern keine Extrawurst braten zu lassen. „Die Aufgabe heißt, auf der einen Seite Reformen durchzuführen und auf der anderen Seite dann über Solidarität zu sprechen“, sagte Merkel Merkel am Freitag in Limassol. Der konservative Präsidentschaftskandidat Anastasiades wäre dazu bereit. Zyperns Geld reicht wohl noch bis zum März – dann muss das Rettungspaket stehen.

In Nikosia erreicht die Arbeitslosenquote unterdessen monatlich neue Rekorde. Die Insel steckt tief in der Rezession. Und die Ratingagentur Moody’s stufte Zypern gestern auf Ramschniveau herab.