Mädchenarbeit: „Alltägliche Diskriminierung“

Das Junglesbenzentrum aus dem Karoviertel hat einen internationalen Preis bekommen. Die Auszeichnung ehrt Projekte mit jungen Frauen.

Viel zu lachen: Projektleiterinnen Vanessa Lamm und Gila Rosenberg Foto: privat

taz: Frau Lamm, warum ist es immer noch bemerkenswert, wenn ein lesbisches Projekt eine internationale Auszeichnung bekommt?

Vanessa Lamm: Gerade im internationalen Bereich ist es für manche Organisationen schwierig, auch wegen der politischen Lage, sich im Zusammenhang mit Lesben-, Bi-, und Trans- (LBT) Organisationen zu zeigen. Der Gründer der Stars Foundation kommt etwa aus Saudi Arabien. Es sind ja verschiedene Organisationen an der Stiftung beteiligt und es ist ungewöhnlich, dass die ein Projekt wählen, das das Wort „lesbisch“ im Namen trägt.

Woraus besteht Ihre Arbeit?

Wir sind Treffpunkt und Beratungsstelle für LBT-Mädchen und junge Frauen bis 25. Es gibt einen offenen Treff, als Kennenlernpunkt, als sicheren Raum, wo sich Mädchen so frei wie möglich mit ihrer Sexualität auseinandersetzen können. Gleichzeitig verstehen wir uns auch als politische Interessenvertretung, um lesbische Themen und Bedürfnisse in der Öffentlichkeit sichtbar zu machen.

38, ist Projektleiterin im Junglesbenzentrum im Karoviertel. Die Diplom-Pädagogin bewegt sich seit 15 Jahren in der lesbischen Community in verschiedenen Städten.

Was ist ein „sicherer Raum“?

Ein Raum, wo sich Frauen, Mädchen, Transpersonen sicher bewegen und Fragen stellen können. Wir lassen nicht jeden rein, wir sind ein drogen- und alkoholfreier und auch männerfreier Raum.

Richtet sich das Angebot auch an heterosexuelle Mädchen?

Die Mädchen definieren sich nicht als lesbisch, wenn sie durch die Tür kommen. Aber es ist der Raum, wo sie Fragen dazu stellen und sich mit ihrer Sexualität auseinandersetzen können.

Was haben sie für Ängste bezüglich ihres Coming Outs?

Sie haben nach wie vor die Angst vor sozialer Ausgrenzung, sei es aus der Familie, dem Freundeskreis, der Schule oder dem Arbeitsplatz. Und je nach Umfeld kommt die Angst vor körperlichen Angriffen hinzu, manchmal sogar die Angst, mit dem Leben bedroht zu sein. Die Ängste sind immer verbunden mit der Frage „Was passiert danach?“. Das ist tatsächlich heute oft nicht anders als vor 20, 30 Jahren.

Was bedeutet es heute, lesbisch zu sein in einer Stadt, die sich tolerant gibt und am Christopher-Street-Day Regenbogenflaggen am Rathaus hisst?

Auf der einen Seite erfährt man viel Unterstützung darin, sich offen lesbisch zu zeigen. Auf der anderen Seite gibt es diese Verharmlosung: Die Leute denken „Ihr seid ja nicht mehr ausgegrenzt, ihr werdet ja akzeptiert“ – nur weil da einmal im Jahr die Regenbogenflagge am Rathaus hängt und uns hilft, sichtbar zu sein. Aber es gibt ja noch 364 andere Tage im Jahr, wo man versucht, seinem normalen Leben nachzugehen, wo man untergeht, unsichtbar ist mit seinen Bedürfnissen und auf vielfältige Art diskriminiert wird.

Ein Beispiel?

Das sind Abwertungen durch Sprüche, gezielte Anmachen, Pfiffe. Wenn man zusätzlich Migrationshintergrund hat, hat man eine Mehrfachdiskriminierung und weiß manchmal gar nicht, vor welchem Hintergrund man jetzt beleidigt wird. Es ist auch die Selbstverständlichkeit der alltäglichen Diskriminierung.

Was müsste sich auf politischer Ebene ändern?

Unser Wunsch wäre, dass es mehr Bewusstsein für die Bedürfnisse lesbischer Mädchen und Frauen gibt. Lesbische Frauen mit ihren Problemen müssten sichtbarer sein. Etwa auch mit solchen im Alter.

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