heute in Bremen
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"Der Krieg ist überall"

ausstellung Zeina Abirached macht große Comic-Kunst aus Erinnerungen ans geteilte Beirut

Zeina Abirached

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33, Comic-Autorin, hat an der Académie libanaise des Beaux-Arts, Beirut und der Pariser Ecole Nationale supérieure des Arts Décoratifs studiert.

taz: Frau Abirached, Ihr Buch „Ich erinnere mich“ spielt mit kollektiven Erinnerungen, Erfahrungen aus dem Libanonkrieg und sehr Persönlichem...

Zeina Abirached: Tatsächlich wollte ich anfangs möglichst persönliche Erinnerungen festhalten, habe aber schnell gemerkt, dass sie sich nicht von den kollektiven lösen lassen: Wenn während der gesamten Kindheit Krieg herrscht, stellen sich zwangsläufig Zusammenhänge her. Zugleich schien es mir interessant, mir selber ins Gedächtnis zu rufen, dass, während wir im Krieg lebten, die ganze Welt beispielsweise auf Florence Griffith-Joyners Fingernägel schaute.

Die waren auch sensationell!

Ja, die haben wir auch so wahrgenommen. Das gab es eben gleichzeitig, so wie die „Goldorak“-Animes überall im Fernsehen liefen.

Nur bei Ihnen fiel manchmal der Strom aus: Der Krieg tritt sehr indirekt auf?

Ja. Ich zeige nicht das Grauen. Ich zeichne nicht den Krieg. Er bleibt im Off, jenseits des Rahmens. Ich streiche um ihn herum, und schaue lieber auf die kleinen Dinge des täglichen Lebens, an denen man spürt: Der Krieg ist überall. Etwa, wenn der kleine Junge beim Spazierengehen Granatsplitter sammelt, oder wenn beim Fernsehen der Strom ausgeht.

Das ist keine Verdrängung.

Nein, aber wahr ist: In „Ich erinnere mich“ bearbeite ich auch, was aus dem Gedächtnis gefallen ist. Das Unausgesprochene und das Unaussprechliche haben einen Platz. Mich interessiert aber, eben nicht den Krieg so zu zeigen, wie man ihn im TV sieht, in Bildern, an die wir uns gewöhnt haben. Ich brauchte eine andere Art, ihn zu erzählen, eine eher empfindsame als informative Form.

Sie gehen dabei bis zur vollständigen Abwesenheit des Bildes, zur abstrakten Grafik oder sogar vollkommen schwarzen Seiten?

Die komplett schwarzen Seiten mitten im Buch öffnen die Interpretation für die Leser: Sie stehen für etwas, das unmöglich zu zeichnen ist.

Das war schon in „Das Spiel der Schwalben“ ähnlich, wo der Taxifahrer in eine Kontrolle gerät...

Ja, das ist ja eine völlig unerträgliche Szene. Deswegen ist da auch nichts zu sehen...

...außer dem Text.

Genau. Das wäre ja sonst, wie jemandem zuzusehen, der zum Tode verurteilt ist. Deshalb habe ich mich dort entschieden, nur über Geräusche zu erzählen. Man hört das Geräusch des Motors und das Gespräch und dann ein „Clic“.

....eine Waffe entsichert?

Die Leser müssen selbst entscheiden was sie gehört haben. Vielleicht ist es auch nur die Tür des Autos. INTERVIEW: bes

Ausstellung „Je me souviens“ und „Le Jeu des hirondelles“: Institut français, Contrescarpe 19, täglich 9-18 Uhr, fr. bis 16 Uhr. Bis 23.11.

Zeina Abirached: „Das Spiel der Schwalben“, 182 S., 19,95 Euro und „Ich erinnere mich“, 96 S., 14,95 Euro