Nur Wasser bleibt alternativlos

Ersatzbank Ob Low-Carb-Diät, Veganismus oder Nahrungsmittelallergien: Es gibt viele Gründe, auf bestimmte Zutaten zu verzichten – und es gibt viele Alternativen

Dieser kleine Engel hat eine individuelle Gestalt, was ihn ihm steckt, sieht man auf den ersten Blick aber nicht Foto: Gerhard Westrich/laif

Von Ansgar Warner

Sieben Sachen braucht man, um einen Kuchen zu backen, so will es das alte Kinderlied. Doch ob nun Kochen oder Backen: Zutaten wie Butter und Schmalz, Eier und Salz (oder Zucker), ja sogar klassische Getreidemehle haben es heutzutage schwer. Aus den unterschiedlichsten Gründen – die einen wollen abnehmen und setzen auf Low-Carb-Diät, die anderen sind zum Veganismus konvertiert und lehnen tierisches Eiweiß ab; noch größer ist die Fraktion der Nahrungsmittelallergiker, die zum Beispiel den Kleb- und Bindestoff Gluten meiden müssen.

Eine wahre Flut von hippen Koch- und Backbüchern reagiert auf solche Trends – Titel wie „Happy Baking glutenfrei“, „100 Rezepte aus der süßen Steinzeitküche“ oder „Einfach vegan backen“ sind Legion. Und ein Blick in den nächsten veganen Bio- oder Supermarkt verrät: Auch die Nahrungsmittelindustrie war in letzter Zeit nicht untätig.

Besonders oft im Fadenkreuz der Kritik steht Weizen, angefangen bei den Anhängern der Low-Carb-Diät oder Steinzeit- beziehungsweise Paleo-Küche. Sie weichen lieber auf Mehl aus Lupinen, Leinsamen, Mandeln oder Soja aus, das deutlich weniger Kohlenhydrate enthält.

Noch kompromissloser beim Ersetzen von klassischen Getreidesorten müssen natürlich Al­ler­giker sein, die an Zöliakie leiden, also kein Weizeneiweiß vertragen: Von Weizen, Roggen, Gerste oder Dinkel bis hin zu Emmer und Urkorn sind für sie die herkömmlichen Getreidesorten tabu. Als Alternativen bieten sich Amarant, Buchweizen, Hirse oder Quinoa an, ebenso Kichererbsen, Reis und Sojamehl.

Die als Verdickungsmittel beliebte Speisestärke kann von vornherein aus glutenfreien Quellen stammen, etwa Maisstärke, Kartoffelstärke oder das aus Algen hergestellte Agar-Agar. Es gibt jedoch auch speziell produzierte „glutenfreie Weizenstärke“. Die ebenfalls oft genutzte „modifizierte Speisestärke“ ist übrigens immer glutenfrei.

Der Einkauf von glutenfreien Back- und Kochzutaten ist hierzulande seit 2014 zum Glück einfacher geworden – denn gemäß der neuen Lebensmittelinformationsverordnung müssen nun alle glutenhaltigen Inhaltsstoffe auf Verpackungen angegeben werden.

Ein klassischer Alleskönner in der Küche ist auch das Hühnerei; 218 Stück vertilgt der Durchschnittsdeutsche pro Jahr. Zumeist aber nicht pur. Denn die glitschige Masse dient ähnlich wie Stärke als probates Bindemittel. Sie kann jedoch noch weitaus mehr: Eiweiß lockert Kuchen- oder Brotteig auf, das Eigelb dient auch als Farb- und Geschmacksträger. Nicht zuletzt spendet das flüssige Ei auch Feuchtigkeit.

Ersetzt man das zerbrechliche Ellipsoid kurzerhand durch Sojamehl oder Johannisbrotkernmehl oder spezielle Ei-Ersatz-Mischungen, muss man deswegen weitere Flüssigkeit hinzufügen, etwa Mineralwasser oder (Soja-)Milch. Das puddingartige Seidentofu dagegen ist als Ei-Ersatz einfacher zu handhaben, es bringt die nötige Feuchtigkeit gleich mit. In Japan selbst wird es übrigens mit Meerwasser hergestellt.

Jérôme Eckmeier und Daniela Lais: Einfach vegan backen, süß & herzhaft – zum Genießen & Wohlfühlen. Verlag Dorling Kindersley, gebundene Ausgabe (2015). Preis: 19,95 Euro.

Celine Steen und Joni Marie Newman: Vegan kochen: So klappt die Umstellung – 200 Rezepte und ausführliche Liste veganer Alternativen. Verlag Dorling Kindersley, gebundene Ausgabe. Preis: 14,95 €.

Franziska Schweiger: Happy baking glutenfrei: Von Brot bis Brownies – unwiderstehliche Rezepte ohne Weizen und Co. Gräfe & Unzer Verlag, geb. Ausgabe (2015). Preis: 16,99 €.

Karine Gohr und Maria Brinkop: Paleo Backen – make it sweet: 100 Rezepte aus der süßen Steinzeitküche. Mit naturbelassenen Zutaten ohne Weizen, Gluten, Laktose. Christian Verlag, gebundene Ausgabe (2015). Preis: 29,99 €.

Elisabeth Fischer und Claudia Lenz: Low Carb – Das Kochbuch. Gräfe & Unzer Verlag, München, gebundene Ausgabe (2014). Preis 19,99 €.

Wer den Geschmack von Eiern vermisst, kann dem veganen Omelette mit indischem Kala Namak auf die Sprünge helfen; denn das als Masala-Zutat bekannte Schwarzsalz enthält auch Natriumsulfat und Schwefelverbindungen. Das Auge will auch mitessen? Kein Problem: Eine kräftige gelbe Farbe für Pseudoeierspeisen liefert der Currybestandteil Kurkuma frei Haus.

Gerade wenn’s um süße Speisen geht, steht traditionell Zucker auf der Zutatenliste ganz oben. Doch auch bei vielen anderen industriell hergestellten Lebensmitteln ist Zucker ein wichtiger Bestandteil, er ersetzt als Füllstoff und Geschmacksverstärker schlicht andere Rohstoffe, die teurer wären. So kommt in Deutschland ein jährlicher Pro-Kopf-Verbrauch von 32 Kilogramm zustande; die WHO empfiehlt weniger als ein Drittel davon. Ein Grund mehr, anstelle der kristallinen Saccharose aus der Raffinerie auf gesündere Alternativen zu vertrauen.

Gerade in der Vollwertküche sind statt Zucker Naturprodukte wie Honig oder Ahornsirup erste Wahl. Besonders en vogue bei den Zuckerverächtern ist Stevia, hergestellt aus den Blättern der gleichnamigen südamerikanischen Pflanze. Die Süßkraft von Stevia ist mehr als 300-mal so stark wie die von klassischem Rüben- oder Rohrzucker. Da man Stevia also deutlich sparsamer dosieren kann, spart man auch bei den Kalorien.

Bei aller Hippness ist das Substituieren von Zutaten natürlich nichts Neues. Ein Grund für das Ersetzen war in schlechteren Zeiten schlicht der Mangel – der Griff zum Ausweichprodukt geschah „faute de mieux“, in Ermangelung eines Besseren. Doch wenn der innere Bäcker ruft, ist es immer noch gut, zu wissen, dass man Rezepte und deren Zutaten hacken kann, und sei es nur, weil man sich beim Einkauf nicht alle sieben Sachen merken konnte.