Klima-Protest in Berlin am Sonntag: „Den Klimawandel vor Ort stoppen“

In 57 Ländern finden Aktionen anlässlich des Klimagipfels statt – auch in Berlin. Trotzdem spielt der Gipfelprotest in der Klimaschützerszene eine geringe Rolle. Warum?

Protest am Brandenburger Tor

Noch heißer soll es in Berlin nicht werden: Protest am Brandenburger Tor gegen den Klimawandel Foto: dpa

taz: Frau Bosse, in 57 Städten der Welt finden am Sonntag Aktionen anlässlich der Klimakonferenz in Paris statt. Auch in Berlin wird es mit dem „Global Climate March“ eine Demonstration geben. Lässt sich so Druck auf die Verhandlungen in Paris ausüben?

Jana Bosse: Wir sind sehr skeptisch, dass bei den Pariser Verhandlungen Entscheidungen gefällt werden, die ausreichen, um den Klimawandel tatsächlich zu stoppen. Die bisherigen Gipfel haben solche Erwartungen jedenfalls immer wieder enttäuscht. Deswegen stellt sich für uns und viele andere Klimaaktivistinnen und -aktivisten die Frage, ob es überhaupt sinnvoll ist, diesen Verhandlungen so viel Aufmerksamkeit zu schenken, oder ob wir unsere Energie nicht lieber in andere Richtungen lenken sollten.

Bei der letzten wichtigen Klimakonferenz 2009 sind Hunderte AktivistInnen aus Berlin nach Kopenhagen gefahren. Sind die enttäuschten Erwartungen der Grund dafür, dass jetzt zu den Protesten in Paris aus Berlin nur relativ wenig mobilisiert wird?

Das hat sicher auch mit der Erfahrung von der Konferenz in Kopenhagen zu tun, bei der wir gelernt haben, dass man keine zu großen Erwartungen in einen solchen Gipfel haben sollte. Von Gipfelprotesten haben viele Aktivistinnen und Aktivisten seitdem erst einmal Abstand genommen. Allerdings ist die Situation nach den Pariser Terroranschlägen natürlich auch noch mal eine etwas andere geworden.

Wegen des Demoverbots?

Ja. Gerade jetzt, wo demokratische Grundrechte in Paris in so großem Maße eingeschränkt werden, sind wir solidarisch mit allen, die ihr Demonstrationsrecht wahrnehmen wollen. Aber grundsätzlich gilt für uns eben: Der Klimawandel wird auf solchen Konferenzen nicht gestoppt werden – das müssen wir vor Ort angehen.

Was bedeutet das konkret für Sie?

Einen Tag vor Beginn der Klimaverhandlungen in Paris finden in zahlreichen Städten der Welt unter dem Titel „Global Climate March“ Demonstrationen statt – eine der wichtigsten davon in Berlin, wo die Organisatoren rund 10.000 Teilnehmer erwarten.

Forderungen der Demons­tran­ten sind unter anderem die weltweite Versorgung mit 100 Prozent erneuerbaren Energien bis 2050 und der Abschluss eines „ambitionierten, verbindlichen und gerechten Klimavertrags“. Veranstaltet wird die bundesweite Demonstration in Berlin von sieben großen Organisationen, darunter die Klima-Allianz, Oxfam und die Onlineplattformen Campact und Avaaz.

Los geht es um 12 Uhr auf dem Washingtonplatz am Hauptbahnhof, die Abschlusskundgebung findet am Brandenburger Tor statt. (mgu)

In den letzten Jahren hat sich in Deutschland eine Antikohle-bewegung formiert, in der auch wir von Gegenstrom Berlin und andere Berliner Gruppen aktiv sind. Deutschland gehört global gesehen zu den Verursacherländern des Klimawandels. Um dagegen etwas zu tun, ist die Abkehr von fossilen Brennstoffen eine ganz wichtige Aufgabe. Das ist ein Kampf, der hier vor Ort stattfindet: bei den lokalen Antikohleinitiativen in der Lausitz, bei den großen Aktionen wie den „Ende Gelände“-Protesten dieses Jahr im Rheinland. Wir sehen darin einen nachhaltigeren und wirksameren Hebel – auch wenn wir es natürlich nach wie vor gut finden, wenn diese Konferenzen von einer kritischen Zivilgesellschaft begleitet werden.

Die Demo am Sonntag – auch viele der sonstigen Protestaktionen rund um die Pariser Verhandlungen – werden von den ganz großen Umwelt-NGOs organisiert: von Greenpeace, Nabu, WWF und anderen. Wie ist Ihr Verhältnis als aktivistische Berliner Gruppe zu diesen großen Organisationen?

Die großen NGOs sind natürlich von ihren Strukturen und ihrer Funktionsweise her ganz anders aufgebaut als eine Gruppe wie wir. Wir haben 15 bis 20 Mitglieder, die alle ehrenamtlich aktiv sind. Wir empfinden das aber meist eher als Ergänzung, nicht als Konkurrenz. Und wir arbeiten punktuell auch mit den großen NGOs zusammen.

Zum Beispiel?

Die Antikohle-Menschenkette im letzten Jahr in der Lausitz haben wir gemeinsam mit den NGOs organisiert. Aber natürlich gibt es manchmal unterschiedliche Auffassung über die Prioritätensetzung im Kampf gegen den Klimawandel, wie man ja jetzt auch an den Protesten zu Paris sieht.

Aber bei der Demo am Sonntag schauen Sie schon vorbei?

Klar, und wir finden es auch total gut, dass mit dieser Demonstration noch mal der Versuch unternommen wird, wirklich viele Leute zu diesem Thema auf die Straße zu bringen. Das ist auch eine Stärke der großen Organisationen, die ja ganz andere Zielgruppen ansprechen können als wir. Diese Vielfalt von Aktionen finden wir super. Wir denken eben nur, dass es sinnvoll ist, nicht zu viele Hoffnungen auf Paris zu setzen und auch an anderen Stellen aktiv zu werden.

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