Kölner Eishockey-Star in der NHL: Der Mann, der aus der Wüste kam

Der Deutsche Leon Draisaitl ist bei den Edmonton Oilers zum Publikumsliebling aufgestiegen. Vor Kurzem wurde er noch abgeschoben.

Plötzlich Star: Leon Draisaitl. Foto: dpa

NEW YORK taz | Leon Draisaitl sprudelt nicht eben vor Euphorie, seine Gefühlslage ist eher gedämpft. „Ja, im Moment läuft’s ganz gut“, sagt er unterkühlt, während er in der Kabine des New Yorker Madison Square Garden mit hängenden Schultern auf einem Stück Pizza herumkaut. „Aber das kann sich alles ganz schnell wieder ändern.“

Gewiss, sein Team, die Edmonton Oilers haben an diesem Abend gegen die New York Rangers zum ersten Mal in sechs Spielen eine knappe Niederlage einstecken müssen. Insofern ist Draisaitls Zurückhaltung verständlich. Doch ansonsten ist die Formulierung „es läuft ganz gut“ für den 20-jährigen Kölner eine massive Untertreibung.

Draisaitl ist einer, der für große Schlagzeilen sorgt, in der bislang noch jungen Saison in der nordamerikanischen Eishockey-Liga NHL. Noch am selben Tag, an dem sein Trainer Todd McLellan ihn wegen des Verletzungsausfalls seines Teamkameraden Connor McDavid aus dem Exil bei einem Farmteam der Oilers in Kalifornien zurückholte, schoss er zwei Tore und trug maßgeblich zum Überraschungssieg gegen die Montreal Canadiens bei. Und das war erst der Anfang.

Seither hat Draisaitl in 22 Spielen 27 Scorerpunkte erzielt. Zusammen mit seinem Angriffspartner Taylor Hall gilt er als das neue „Power-Duo“ der NHL. Nicht zuletzt durch die beiden gelten die einst glorreichen Oilers nach vielen schwierigen Jahren wieder als ein Team mit Meisterschaftspotenzial. Und um den 1,83 großen Modellathleten bildet sich eine rasch wachsende Fangemeinde.

Nicht zuletzt durch Draisaitl gelten die einst glorreichen Oilers wieder als ein Team mit Meisterschaftspotenzial

„Leon ist im Moment der beliebteste Spieler in Edmonton“, sagt Derek van Deist vom Edmonton Journal. „Und das bedeutet bei uns einiges. Wir haben vielleicht nur eine Million Einwohner aber davon sind 700.000 Eishockeyfans.“ Für Draisaitl bedeutet das: Er kann in Edmonton kaum mehr ins Restaurant oder zum Einkaufen gehen, ohne von Selfie-und Autogrammjägern – oft jung und oft weiblich – belagert zu werden. Und das, obwohl er erst seit kaum drei Monaten wieder in der Stadt ist.

Verhaltene Freude

Dass Leon Draisaitls Freude über all das bislang noch verhalten ist, dass er Angst hat, dass alles schnell wieder vorbei sein könnte, ist verständlich. Obwohl seine Profikarriere nicht einmal zwei Jahre alt ist, hat der Kölner schon reichlich Höhen und Tiefen hinter sich.

Draisaitl kam schon 2012 als Jugendlicher in das gelobte Land des Eishockey und etablierte sich als einer der talentiertesten Nachwuchsspieler. So war es keine Überraschung, als er 2014 im Draft als Dritter von den Edmonton Oilers verpflichtet wurde. Es war die höchste Draft Position, die je ein deutscher Spieler in der NHL geschafft hat.

Doch sein Einstand in der NHL war holprig. Draisaitl stand in seiner Rookie Saison 37 Mal auf dem Eis und zeigte gute Ansätze. Doch Trainer McLellan sah deutliche Schwächen. Zur wirklichen NHL-Reife, glaubte McLellan, fehle ihm die Geschwindigkeit und die Kondition. Und so ließ er Draisaitl bei einem der Farm Teams, den Kelowna Rockets eine Ehrenrunde drehen. Die wiederum liehen ihn nach Bakersfield in Kalifornien aus.

„Es war wortwörtlich die Wüste“, erinnert sich Draisaitl an die Kleinstadt im ausgetrockneten Westküstenstaat. Und die trostlose Umgebung spiegelte seinen Zustand wieder. „Man muss das erst einmal wegstecken, so dicht dran zu sein, und dann wieder in eine niedrige Liga abgeschoben zu werden.“

Jetzt schon „unverzichtbar“

Doch Draisatil reagierte nicht mit Resignation, sondern mit Angriff. Den gesamten Sommer verbrachte er in der westtschechischen Stadt Hradec Karlove, wo sein Vater, Exnationalspieler Peter Draisaitl, Trainer des örtlichen Profiteams ist. Tagtäglich arbeitete er dort mit dem Fitnesstrainer des Klubs, Marian Voda, um seine Beinmuskulatur auf Vordermann zu bringen und sein Stehvermögen, damit er auch im letzten Drittel noch mit den schnellsten Spielern der Welt mitsprinten kann. So war Leon Draisaitl bereit, als in diesem Oktober der Marschbefehl aus Edmonton kam.

Nun wird Draisaitl von der Fachpresse bereits als „unverzichtbar“ für die Zukunft der Oilers bezeichnet, einer Mannschaft, die noch immer im Umbruch ist. Jahrelang kämpfte das einstige Meisterteam, um den Anschluss. Doch jetzt gibt es in Edmonton eine neue Generation talentierter Spieler und der talentierteste unter ihnen, so schreibt etwa das Sportportal ESPN, ist Draisaitl.

Davon, dass er der Motor der neuen Erfolgswelle von Edmonton sein soll, will er selbst jedoch nichts wissen. „Ich spreche nicht so gerne über mich“, antwortet er auf die Frage an seinem Anteil an der Wiedergeburt des Teams von Wayne Gretzky und Mike Messier. Und so richtig mag er auch an eine lange und glanzvolle Zukunft mit Edmonton noch nicht glauben.

Bislang hat er nicht einmal seine Wohnung dort richtig eingerichtet. „Ich fühle mich wohl dort, aber wer weiß, wann der nächste Trade kommt und wohin es mich dann verschlägt.“ In der NHL, so viel hat der Jungprofi aus Köln schon gelernt, verblasst der Glanz schnell, und wenn man sich nicht immer wieder beweist, dann landet man ganz schnell in der Wüste.

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