Spanien

Am Sonntag wählt das krisengeschüttelte Land ein neues Parlament. Die etablierten Parteien werden Federn lassen

Spanisch, wahlberechtigt, jung sucht: eine Stimmenspende

Diaspora Fast zwei Millionen Spanier im Ausland dürfen wählen. Aber nur, wenn sie vorher große bürokratische Hürden überwinden – so lautet ein Beschluss der Altparteien

MADRID taz | „Wenn du auswanderst, hast du das Gefühl, alle Rechte zu verlieren, für dein Land existierst du einfach nicht mehr“, beschwert sich Laura Morillas. Die 35-Jährige Biologin aus dem spanischen Almería, lebt und arbeitet in Vancouver, im Südwesten Kanadas.

Sie ist eine von 1,9 Millionen SpanierInnen, die am kommenden Sonntag bei den Parlamentswahlen eigentlich Wahlrecht haben, dies aber nur sehr schwer wahrnehmen können. Denn das spanische Gesetz sieht vor, dass die Emigranten ein Konsulat aufsuchen und dort einen Antrag stellen müssen, um die Unterlagen für die Briefwahl zugeschickt zu bekommen. Im Falle von Mo­rillas ist das nächste Konsulat im 4.500 Kilometer entfernten Toronto. Für sie ein unmögliches Unterfangen.

„Nur 7 Prozent der Auslandsspanier beantragen ihre Wahlunterlagen“, berichtet María Almena. Nur die Hälfte davon erhält üblicherweise die Unterlagen rechtzeitig. Almena ist Sprecherin der Auswandererbewegung Marea Granate, zu Deutsch: granatrote Flut. Die Bewegung, die aus den Reihen der „Empörten“ entstand, organisiert in vielen Ländern Basisversammlungen meist junger Auswanderer. „Vor allem derer, die infolge der Krise Spanien verlassen haben“, berichtet die junge Forscherin am Institut Pasteur in Paris.

Seit 2011 sind es 700.000 neue Emigranten. Ob bei den Europawahlen im Mai 2014, den Regionalwahlen im Mai 2015 oder jetzt bei den Parlamentswahlen, die Marea Granate organisiert immer wieder Proteste für das Wahlrecht weltweit, so auch am vergangenen Sonntag.

Doch die regierenden kon­servative Partido Popular (PP) hat sich mehrmals geweigert, eine Reform des Wahlrechts überhaupt nur zur Debatte im Parlament zuzulassen. „Sie wissen, dass viele von uns alles ­andere als konservativ wählen“, ist sich Almena sicher. Denn die PP steht für Krise und Spar­politik. Wer auswandert, um endlich Arbeit zu finden, macht die Regierungspolitik der vergangenen Jahre dafür verantwortlich.

„Bis 2011 reichte es, sich auf dem Konsulat einzuschreiben, die Wahlunterlagen kamen dann automatisch“, berichtet Almena. Es waren die beiden Großen, die regierende PP und die sozialistische PSOE, die mit Unterstützung der katalanischen und baskischen konservativen Nationalisten im Januar 2011 die heute gültige Regelung per erforderlicher Dreifünftelmehrheit verabschiedeten.

Morillas wird dank Marea Granate am Sonntag doch noch ihre Stimme abgeben können. Die Organisation bringt Menschen wie Morillas mit Inlandsspaniern zusammen, die nie wählen gehen. Sie „spenden“ ihre Stimme. „Ich habe mit meinem Spender Antonio per Mail kommuniziert“, erklärt die junge Frau in Vancouver. Antonio wird am Sonntag zur Wahl gehen und für die Partei stimmen, der sie ihr ­Vertrauen schenkt. Über 2.000 Paare haben sich dank der Initiative „Rette meine Stimme“ eine Woche vor dem Urnengang bereits gefunden. Weitere 9.000 Auslandsspanier warten auf einen Spender. Reiner Wandler