DIE 4 METER BREITE BÜHNE DES VARIETÉS SCHEINBAR
: Sprungbretter für die Creme de la Creme

Jeden Tag ein neues Türchen

VON JAN MOHNHAUPT

Auf fast allen Radio- und Fernsehkanälen schreit Mario Barth es uns entgegen: „Das ist mein Laden!“ So preist er lautstark einen Multimedia-Großmarkt und gaukelt Verbundenheit vor. Doch Barths „wahrer“ Laden, nämlich seine künstlerische Heimat, liegt nicht irgendwo im Einkaufszentrum, sondern vielmehr in der Monumentenstraße in Schöneberg. Dort befindet sich die Scheinbar, das wohl kleinste Varieté Deutschlands. Lange bevor Barth das Olympiastadion füllte, hat er hier auf einer winzigen Bühne seine Witze getestet.

Wer den kleinen Raum betritt, steht direkt zwischen den Stuhlreihen. Davor liegt die Bühne. Vier Meter breit sind ihre Bretter, die für einige heute bekannte Comedians einst die Welt bedeutet haben. „Hier sind einige alte Hasen aufgetreten, als sie noch unbekannt waren“, erzählt Daniela Schäfer, zuständig für das Programm. Neben Mario Barth hätten auch Meret Becker, Kurt Krömer und Eckard von Hirschhausen in der Scheinbar ihre ersten Auftritte gehabt.

Seit 1984 gibt es die Scheinbar. Gegründet wurde sie von SchülerInnen der Berliner Artistenschule „Etage“. Ihr Credo lautete: „Wir bauen uns unsere Bühne selbst“. Selbstmachen ist heute noch angesagt. An mindestens vier Tagen pro Woche steht „open stage“ auf dem Programm: Jeder kann spontan teilnehmen und versuchen, das Publikum zu belustigen.

Das Varieté sei eine regelrechte „Werkstatt für Kleinkunstgrößen“, sagt sie. „Bekannte Künstler kommen häufig her, um an ihrem Programm zu arbeiten oder Werbung für größere Auftritte zu machen.“ Sie will zwar keine Namen nennen, aber manche Berühmtheit sei hier anfangs sogar ausgebuht worden.

Wie unterschiedlich die Teilnehmenden sind, sowohl in ihrer Kunst als auch Qualität, zeigt sich an diesem Mittwochabend: Durch den Abend führt Helga, die Venus von der schwäbischen Alb, die eigentlich Otto heißt und knapp zwei Meter groß ist. Einer der Künstler berichtet sehr ausführlich von den Behandlungsmethoden eines Allgäuer Urologen; eine Pianistin wiederum spielt ein Stück, das sie einer alten Frau in der Uckermark gewidmet hat.

Am Ende des Abends taucht auch Mario Barth auf. Allerdings nur als Gegenstand einer Pointe. Der vierte Künstler fragt nach der Gemeinsamkeit des Komikers mit Hitler – beide waren im Olympiastadion.