Kommentar WHO und Zika-Virus: Balanceakt einer Geschwächten

Mal aktionistisch, mal träge: Um auf Krisen angemessen reagieren zu können, ist die WHO viel zu schlecht ausgestattet.

Eine Frau und ein Kind gehen an einer Pfütze vorbei

In Costa Rica sind potenzielle Moskitonester wie an solchen Pfützen großflächig chemikalisch behandelt worden. Foto: dpa

Fast kann einem die Weltgesundheitsorganisation (WHO) leidtun. Wie immer sie sich im Umgang mit dem Zika-Virus verhält, am Ende wird sie dafür massiv gescholten werden. Wissenschaftler wissen derzeit zu wenig über die Übertragungswege des Virus und seine schädigenden Wirkungen, etwa auf Ungeborene im Mutterleib, als dass irgendwer seriöse und belastbare Aussagen über die tatsächlichen Gefahren treffen könnte.

Die Bilder der brasilianischen Babys mit Schrumpfköpfen sind dramatisch und lösen starke Gefühle aus. Dass die Missbildungen indes auf Zika zurückzuführen seien, ist im Moment – so unbefriedigend dieses Nichtwissen auch ist – nur ein Verdacht. Mehr Forschung, so viel steht fest, tut not. Die Frage aber, wann der richtige Zeitpunkt ist, Alarm zu schlagen, sie bleibt ein Balanceakt.

Die WHO steht damit vor einem Dilemma: Wartet sie jetzt ab und erhält in einigen Monaten den wissenschaftlichen Nachweis, dass die Mücken tatsächlich Tausende Babys um ein gesundes Leben gebracht haben, dann handelt sie sich den Vorwurf ein, nach Ebola nun schon zum zweiten Mal binnen eineinhalb Jahren in ihrer Gefahreneinschätzung grandios versagt zu haben. Davor hat die WHO Angst.

Auch deswegen hat sie bei Zika überraschend früh entschieden, den globalen Gesundheitsnotstand auszurufen, die allerhöchste Warnstufe. Dass dieses Vorpreschen aktionistisch anmutet und zur globalen Peinlichkeit werden kann, haben zuletzt die Vogel- und die Schweinegrippe gezeigt.

Dass die WHO bei Zika nur verlieren kann, liegt auch daran, dass die Organisation über Jahre, übrigens auch von ihren reichen Mitgliedstaaten, bewusst unterfinanziert und strukturell geschwächt wurde. Um Epidemien frühzeitig erforschen und einschätzen zu können, muss sie aber Ressourcen sofort mobilisieren können. Zudem braucht sie Personal vor Ort, um Ausbrüche zu erkennen. An beidem mangelt es – nicht erst seit Zika.

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Heike Haarhoff beschäftigt sich mit Gesundheitspolitik und Medizinthemen. Nach einem Freiwilligen Sozialen Jahr in einem Kinderheim bei Paris ab 1989 Studium der Journalistik und Politikwissenschaften an den Universitäten Dortmund und Marseille, Volontariat beim Hellweger Anzeiger in Unna. Praktika bei dpa, AFP, Westfälische Rundschau, Neue Rhein Zeitung, Lyon Figaro, Radio Monte Carlo, Midi Libre. Bei der taz ab 1995 Redakteurin für Stadtentwicklung in Hamburg, 1998 Landeskorrespondentin für Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern und von 1999 bis 2010 politische Reporterin. Rechercheaufenthalte in Chile (IJP) und den USA (John McCloy Fellowship), als Stipendiatin der Fazit-Stiftung neun Monate Schülerin der Fondation Journalistes en Europe (Paris). Ausgezeichnet mit dem Journalistenpreis der Bundesarchitektenkammer (2001), dem Frans-Vink-Preis für Journalismus in Europa (2002) und dem Wächterpreis der deutschen Tagespresse (2013). Derzeit Teilnehmerin am Journalistenkolleg "Tauchgänge in die Wissenschaft" der Robert Bosch Stiftung und der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina.

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