Zu Gast beim Importweltmeister

Bauer sucht Bio Hiesige Bioprodukte können die Nachfrage in Deutschland nicht decken. Importquoten von 30 bis 40 Prozent sind der Normalfall. Während die Lust auf Naturkost weiter wächst, kommt die Umstellung auf Ökoanbau kaum voran

Mehr Kooperation an der Produzentenbasis könnte dem Bio-Anteil steigern

von Ansgar Warner

„Es kann nicht sein, dass es ausgerechnet der Export-Weltmeister Deutschland bei Bioprodukten nicht schafft, den eigenen Markt zu versorgen“, schimpfte Grünen-Chef Toni Hofreiter im vergangenen Frühjahr. In diesem Frühjahr könnte er seine Brandrede unverändert abspulen. Denn ob Möhren oder Kartoffeln, Äpfel oder Quitten: Lebensmittel in Bioqualität werden noch immer durch halb Europa gekarrt, um von zahlungskräftigen Bio-Deutschen zwischen Aachen und Zittau verspeist zu werden. Importquoten von 30 bis 40 Prozent sind der Normalfall.

Der Boom veganer Lebensmittel befeuert diesen Trend zusätzlich. Denn Veggies kaufen ohnehin am liebsten Bioprodukte, doch viele Fleisch- und Milchersatzprodukte enthalten als Proteinbasis Soja. Pro Jahr werden hierzulande 10.000 Tonnen Bio-Sojabohnen verarbeitet, aber nur 2.000 Tonnen geerntet, der Löwenanteil stammt aus China oder den USA.

„Die Nachfrage kann bei den meisten Produkten weder regional noch national gedeckt werden“, bestätigt Agrarpolitik-Experte Christian ­Rehmer vom Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND). Während die Lust auf Naturkost weiter wächst, kommt die Umstellung auf Ökoanbau kaum voran: „Der Flächenzuwachs ist marginal, in einigen Bundesländern nimmt die Bio-Fläche sogar ab“. Nur 6,3 Prozent der Agrarflächen seien „Bio“, damit liege Deutschland weit abgeschlagen vom 20-Prozent-Ziel, das die Bundesregierung im Rahmen ihrer Nachhaltigkeitsstrategie anstrebt.

Beim Deutschen Bauernverband (DBV) sieht man das Problem ähnlich: Dass man etwa konventionell erzeugte Milch exportiere, aber 30 Prozent der Biomilch importiere, könne so nicht bleiben, so Wolfram Dienel, DBV-Experte für ökologischen Landbau und Marktpolitik. Die Voraussetzungen dafür seien gut: „Der Ökolandbau steht aufgrund der stabilen bis steigenden Produktpreise für wichtige Produktgruppen wie Getreide, Milch und Fleisch gut da.“ Das würden auch die potenziellen Produzenten merken: laut Umfragen hätten zehn Prozent der Landwirte Interesse am Bio-Anbau.

Viele Verbraucher würden mehr regionale Erzeugnisse aus nachhaltiger Landwirtschaft sehr zu schätzen wissen, belegt eine Studie des Bundes Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW) aus dem Jahr 2013. Konsumenten, denen Biolebensmittel wichtig sind, kaufen offenbar auch bevorzugt Produkte, die aus der Region oder aus Deutschland kommen. Vor die Wahl gestellt, würden sie sogar für konventionell, aber regional produzierte Nahrungsmittel mehr Geld ausgeben als für Bioprodukte aus entfernten Ländern. Angesichts solch einer „Mehrzahlungsbereitschaft“ schlussfolgern die Autoren der Studie: „Öko-Anbieter tun gut daran, möglichst viele Öko-Produkte aus der Region anzubieten, auch wenn deren Preise deutlich höher sind als für Produkte aus dem Ausland.“

Doch neben Chancen birgt Ökofood made in Germany auch Risiken – schuld daran sind steigende Kosten durch verschärften Wettbewerb um Ackerflächen, auf denen immer öfter Energiepflanzen oder Futtermittel für den Export wachsen. „Der enorme Preisdruck auf Agrarflächen macht gerade den Ökolandbaubetrieben das Leben schwer, sie haben im Durchschnitt mehr Pachtanteil“, beobachtet Christian Rehmer vom BUND. Dabei seien vor allem ostdeutsche Landwirtinnen und Landwirte betroffen, weil dort die Bodenmobilität höher ist: „Für biologisch wirtschaftende Betriebe ist dieser ruinöse Preiskampf kaum zu gewinnen.“ Am Ende sitzen die konventionell wirtschaftenden Großbetriebe am längeren Heben: „Wachse oder weiche!“ sei die vom Bauernverband und der Bundesregierung gewollte Doktrin.

Dagegen helfe nur mehr Kooperation: „Erzeugergemeinschaften, Maschinenringe, Genossenschaften, auch Projekte der solidarischen Landwirtschaft sind erprobte Optionen“ so Rehmer. Auch in puncto Vermarktung könne man was tun: Für Mecklenburg-Vorpommern hat der BUND die Entwicklung der Eigenmarke „BIO aus MV“ vorgeschlagen.

Mehr Kooperation an der Produzentenbasis befürwortet auch der Bauernverband. „Erzeugergemeinschaften befinden sich in Hand der Bauern und werden daher von uns sehr gutgeheißen“, so Wolfram Dienel. Man plädiere für Zusammenarbeit über Bundesländergrenzen hinweg. Der Verband befürwortet ein nationales Bio-Herkunftszeichen, das sich an den Standards der deutschen Bio-Anbauverbände orientiert, also über die vergleichsweise weichen Kriterien des EU-Biosiegels deutlich hinausgeht.