Salafismus-Aussteiger über die Szene: „Damals ging es mir nur um Gott“

Er kiffte, feierte, hatte Sex. Dann wurde er Salafist. In der radikalislamistischen Szene fand Dominic Musa Schmitz klare Antworten auf all seine Fragen – und Halt.

Kundgebung mit vielen Männern. Viele davon heben ihre Arme.

Anhänger des Salafistenführers Pierre Vogel im April 2011 in Frankfurt/Main. Foto: dpa

Auf seinem YouTube-Kanal bezieht Dominic Musa Schmitz Position gegen das radikalislamistische Weltbild der Salafisten und wirbt für einen friedlichen Islam. Vor einem halben Jahr wollte er sich nur gegen eine Aufwandsentschädigung interviewen lassen. Jetzt geht es ohne Geld, kommende Woche kommt seine Geschichte als Buch heraus. Wir treffen uns auf seinen Vorschlag hin bei einem Italiener am Marktplatz in Mönchengladbach-Rheydt. Die Musik ist laut. Schmitz bestellt eine Cola.

taz.am wochenende: Wie soll ich Sie ansprechen? Dominic? Musa?

Dominic Musa Schmitz: Dominic ist mir inzwischen lieber.

Was ist aus Musa geworden?

Den Namen gibt es auch noch. Er ist ja Teil meiner Geschichte und auch die Verbindung zu meinem YouTube-Kanal.

Musa al-Almani, so haben die Salafisten Sie genannt. Dass der Prediger Pierre Vogel Ihnen diesen Beinamen gegeben hat, stört Sie das nicht?

Nee. Ich hatte vier Namen zur Auswahl und konnte mich nicht entscheiden. „Du bist jetzt der Musa“, hat Pierre Vogel dann gesagt. (Er macht den rheinischen Tonfall nach.) Das ist schon okay.

Wie kam es dazu?

Irgendwann stand ein Kumpel vor meiner Tür. Rachid war total verändert. Er wollte nicht mehr kiffen, nicht mehr rauchen, nicht mehr Musik hören und wirkte unheimlich konsequent. Das hat mich neugierig gemacht. Nicht die Religion oder die Ideologie, sondern dass er so entschlossen war. Und ich konnte mich mit ihm über Themen unterhalten, über die ich sonst nicht reden konnte: Gott, Tod, Sinn des Lebens. Mit Gleichaltrigen ging es meist um Weiber, Kiffen, Party, Schlägereien und so. Rachid hat gemerkt, dass er bei mir etwas angestoßen hat. Er ist immer wieder gekommen und hat Dawa gemacht.

Gezielte Missionierung.

Ja. Der hat immer an mein Fenster geklopft, hat mir mal eine Broschüre, mal ein Buch mitgebracht, und dann haben wir geredet. Ich war damals 17, total lustlos, habe in den Tag hinein gelebt und morgens schon gekifft. Und plötzlich war da so eine Neugier, eine Lust. Und dann habe ich den Kern des Glaubens kennengelernt, und das hat gepasst. Was mich am Islam berührt hat, war das Bild von Gott, das ich eh schon hatte.

Waren Sie denn religiös?

Nein, aber ich habe an Gott geglaubt, ohne Religion. Die Nähe zu Gott ist nirgends so direkt wie im Islam, es steht nichts zwischen dem Gläubigen und Gott. Als ich das hörte, wusste ich, das ist mein Glaube. Aber es gibt ja im Koran auch diese ganzen Regeln. Nach und nach habe ich dann gedacht, Gott weiß, was für mich am besten ist, und sie akzeptiert. Das Kopftuch, die Mehrehe, die Scharia teilweise. Ich habe mir damals, 2005, noch keine Gedanken über Demokratie und Scharia gemacht, Hand abhacken oder so. Damals ging es mir nur um Gott, darum, ein gottgefälliges Leben zu führen und mein Gute-Taten-Konto zu füllen, um irgendwann ins Paradies zu kommen.

Sind Sie gleich bei den Salafisten gelandet?

Ja, in der Moschee in Mönchengladbach habe ich gleich am ersten Tag die ersten Konvertiten kennengelernt, auch Sven Lau. Rachid hat sie mir gezielt vorgestellt, auch um zu zeigen: Die hier haben alle diesen Schritt schon gemacht, den du noch vor dir hast, inschallah. So hab ich gleich den Islam als Salafismus kennengelernt. Die haben gesagt, dass sei der einzig wahre Islam, du brauchst nicht mehr weiterzusuchen.

Haben Sie auch nicht?

Nein. Nicht in den ersten fünf Jahren zumindest.

Der Mann: Schmitz, heute 28, konvertierte mit 17 zum Islam und verbrachte sechs Jahre im harten Kern der deutschen Salafistenszene. Auch nach seinem Ausstieg bleibt Schmitz gläubiger Muslim. Auf seinem YouTube-Kanal MusaAlmani bezieht er heute Stellung gegen radikale Islamisten, in Schulen berichtet er von seinen Erfahrungen. Schmitz, in Mönchengladbach geboren, betreibt einen Onlineparfümhandel.

Das Umfeld: Schmitz hat viel Zeit mit den bundesweit bekannten Salafistenpredigern Pierre Vogel und Sven Lau verbracht. Die Moschee in Mönchengladbach, zu der Lau und Schmitz gehörten, war einer der zentralen Treffpunkte der Salafisten in Deutschland. Lau erregte 2014 durch die Scharia-Polizei viel Aufmerksamkeit. 2015 wurde ihm der Reisepass entzogen, derzeit sitzt er in Untersuchungshaft. Der Vorwurf: Unterstützung einer in Syrien aktiven Terrororganisation.

Das Buch: Schmitz’ Geschichte erscheint kommende Woche unter dem Titel „Ich war ein Salafist“. Econ-Verlag, 250 Seiten, 18 Euro.

Was war daran so attraktiv?

Die Einfachheit. Die Salafisten verstehen den Islam so wie vor 1.400 Jahren. Wenn man es uminterpretiert, ist es nicht mehr der Islam. Zack. Es gab immer diese einfachen Antworten. Genau das, was man als 17-Jähriger will. Das bietet Pierre Vogel 24 Stunden am Tag. Und das hat mir auch viel gegeben. Einfache Antworten auf all meine Fragen; Halt, eine Familie, Regeln, Struktur. Alles, was mir gefehlt hat.

Wie wichtig war für Sie Sven Lau, der später ja zu einem Star der Szene wurde?

Er war damals noch unbekannt. Für mich war er wichtig, weil ich mich in ihm gesehen habe. Und er hat Sätze gesagt wie: „Der schlechteste Muslim ist besser als der beste Ungläubige“, „Nimm doch den Islam an, sonst kommst du in die Hölle“. Diese Sätze waren die ganze Zeit in meinem Hinterkopf. Ich hatte immer Angst, etwas Falsches zu tun, zu sündigen. Das macht es so schwierig, sich zu hinterfragen: Man hat immer Angst, damit Gotteslästerung zu begehen.

Mir fällt es schwer, diesen Schritt nachzuvollziehen. Sie sind hier aufgewachsen, mit allen Freiheiten. Haben gekifft, Musik gehört, Party gemacht. Waren verliebt, hatten eine Freundin, Sex mit ihr. Das war schön. Und plötzlich ist das alles verboten?

Vielleicht hat man all diese Freiheiten und sehnt sich nach Grenzen. Ich habe meinen Gott gefunden, und im Koran hat Gott mir seine Botschaft gegeben. Und dann sagt Pierre Vogel zum Beispiel: Ein Kind will nicht geimpft werden, aber die Eltern wissen, was gut für ein Kind ist. Und so weiß Gott, was gut für uns ist. So räumt er jeden Zweifel, jedes Gegenargument ab.

Gab es in Ihnen nicht diesen Konflikt – die Freundin zu wollen, obwohl es verboten war?

Doch, ständig. Das hat mich wochenlang davon abgehalten, zu konvertieren. Meine Freundin, das Kiffen, ich konnte das nicht lassen. Und ich wollte auch nicht konvertieren und dann weiter Drogen nehmen, Unzucht machen. Aber die Angst vor der Hölle ist immer weitergewachsen. Ich lag manchmal abends im Bett und dachte, wenn ich jetzt sterbe, dann komme ich in die Hölle. Die habe ich mir wirklich als einen schrecklichen Ort vorgestellt. Das hat mich auch in meinen Träumen verfolgt.

Sie sind aus Angst konvertiert?

Nicht nur, es gab auch Positives. Die Hoffnung, dass man weiß, wie es weitergeht, wenn man stirbt. Und dass plötzlich klar ist, was gut ist und was schlecht.

Aber das geht doch nicht so schnell.

Oh doch, das geht ganz schnell.

Wie schnell?

Es war Juni oder Juli, als der Typ vor meiner Tür stand, und im August bin ich konvertiert. Und danach habe ich gar nichts mehr hinterfragt.

Aber Ihre Freundin gab es weiterhin – plötzlich ohne Sex? Schwer vorstellbar.

Hat ja auch nicht geklappt. Ich wollte es lassen und auch nicht. Wir sind intim geworden, das war so schön, aber danach habe ich mich immer hundeelend gefühlt. Dann habe ich den Kontakt abgebrochen, es aber schnell nicht mehr ausgehalten. Monatelang ging das so. Irgendwann wollte sie nicht mehr.

Haben Sie da nicht gezweifelt?

Nein, gelitten. Ich war absolut überzeugt, dass es so sein muss. Die anderen, auch Sven Lau, haben auf mich eingeredet, dass sie mich in die Hölle führen könnte, dass Gott mir eine bessere Frau geben wird und so.

Sie hatten keine Zweifel?

Nein, keine Zweifel.

Was macht man eigentlich den ganzen Tag als hauptberuflicher Salafist? Sie hatten den Realschulabschluss und haben noch bei Ihrer Mutter gewohnt.

Ich bin morgens aufgestanden, habe mich gewaschen und mein Frühgebet gemacht, dann habe ich noch mal geschlafen, gelesen, gefrühstückt. Ab und zu habe ich Fernsehen geguckt, da habe ich mich drauf gefreut. Ich hatte keinen Fernseher mehr, wegen der Religion. Aber wenn meine Mutter arbeiten war, habe ich auf ihrem geguckt.

Fernsehen ist auch verboten?

Nicht das Gerät, aber der Inhalt – Frauen und Musik. Mittags bin ich in die Moschee gefahren, die war dann meistens sehr leer, dann zurück, dann habe ich Vorträge gehört oder gelesen, und dann bin ich wieder zur Moschee und immer so weiter. Jedes Quartal gab es irgendwo Islamseminare, irgendwann kamen die Kundgebungen. Und immer Dawa. Das kam schnell bei mir. Ich habe mir tausend Flyer in den Rucksack gestopft, bin durch unseren Ort gegangen, habe jeden Briefkasten damit zugeballert und war so stolz darauf. Und wenn jemand in die Moschee kam, habe ich ihn zugetextet. Ich habe alles nachgeplappert und gemacht, was mir gesagt wurde. Nach zwei Jahren wollte ich dann unbedingt eine Frau. Möglichst schnell heiraten, keine Sünden mehr begehen in Form von Selbstbefriedigung. Eine kleine Familie gründen, die ich selbst vermisst habe als Kind. Ich bin Scheidungskind. Als ich fünf war, zogen meine Mutter und ich aus.

Mit 19 haben Sie dann innerhalb einer Woche eine drei Jahre ältere Frau kennengelernt und geheiratet, die Sie gar nicht anziehend fanden. Warum?

Ich habe diese Entscheidung selbst getroffen und übernehme die volle Verantwortung, auch für die beiden Kinder. Aber jede Entscheidung basiert auf etwas, bei mir war das Gehirnwäsche. Ich habe nur noch in diesen Grenzen gedacht, ich war nicht mehr ich. Ich wollte eine Frau, und sie war der einfachste Weg, sie wurde mir in der Moschee vorgestellt. Und ich dachte auch noch, das ist der Weg Gottes. Ich habe mal zu einem Bruder gesagt: Wenn ich heirate, möchte ich erst mal verhüten. Er hat geantwortet: Dann darfst du sie gar nicht heiraten, weil du zweifelst, dass sie die richtige ist. Das ist natürlich totaler Schwachsinn, aber dieser Satz hat mich damals stark beeinflusst. Meine Frau ist gleich schwanger geworden. Kurz danach war ich zum ersten Mal in Mekka auf Pilgerfahrt. Ich war froh, von zu Hause weg zu sein.

Sie waren unter anderem mit Pierre Vogel unterwegs …

… und mit sieben Hardcore-Islamisten aus Bremen.

Wie war das?

Großartig, eine unglaublich intensive Erfahrung. Nicht wegen Pierre Vogel, der wurde mir von Tag zu Tag unsympathischer, und schon gar nicht wegen der Bremer. Aber der Hadsch hat mich total begeistert, ich war mitunter wie in Trance. Ich war inmitten Hunderttausender, die alle die Nähe Gottes wollten und sonst nichts. Das war ein wunderschönes Gefühl. Da habe ich Gott gespürt. Und geheult wie ein Schlosshund.

Mit Sven Lau sind Sie auch gepilgert. War er ein Freund?

Er für mich schon, ich für ihn wahrscheinlich nicht. Ich habe in seinem Laden gearbeitet, ihn gefilmt und die Videos bei YouTube hochgeladen, das hat unsere Moschee zur Nummer eins in Deutschland gemacht. Damals war Sven Lau schon etwas bekannt, ich habe mich auch wichtig gefühlt, ich habe alles für ihn getan. Auf die Pilgerfahrt mit ihm habe ich mich so gefreut. Er hat mich dann in ein anderes Zimmer eingeteilt. Da habe ich realisiert, das war keine Freundschaft, ich war einfach nützlich für ihn.

Warum waren diese Videos so erfolgreich?

Gut waren sie anfangs nicht, weder inhaltlich noch technisch. Da gab es Brüder beim Grillen, Brüder beim Fußball, Brüder beim Schwimmen und dann Reden von Lau. Aber wir waren die Ersten. Das hat viele Muslime in Deutschland angezogen, die Videos hatten immer sofort ein paar Tausend Klicks. Lau hat es auch auf Aufmerksamkeit angelegt. Zum Beispiel mit den Einladungen zum Islam an Promis wie Michael Schumacher oder Bushido. So ist er bekannter und bekannter geworden. Das war alles kalkuliert. Auch bei Marwa El-Sherbini und später dann der Scharia-Polizei, mit der Lau 2014 für Wirbel gesorgt hat – aber da war ich nicht mehr dabei.

Die Ägypterin Marwa El-Sherbini ist Mitte 2009 im Dresdner Landgericht von einem Deutschrussen erstochen worden.

Das hat unsere Mentalität verändert. Sie war das erste Opfer, das für den Islam in Deutschland gestorben ist. Wir, besonders Pierre Vogel, haben ihren Tod instrumentalisiert und sind aggressiver und offensiver geworden.

Dabei dürfte ihr Lebenswandel den Salafisten gar nicht gefallen haben. Sie war zwar eine gläubige, aber auch beruflich sehr erfolgreiche Frau, Pharmazeutin, und hatte in Ägypten in der Handballnationalmannschaft gespielt.

Das war egal. Nach Marwas Tod kamen die ersten Kundgebungen mit Pierre Vogel, zum Teil jede Woche eine. München, Berlin, überall. Ich war fast immer dabei. Das war Action. Was für die Jugendlichen heute vielleicht Syrien ist, waren für uns diese Kundgebungen. Wir standen auch mal hier auf dem Marktplatz, da war ich Ordner und habe mich wichtig gefühlt, auserwählt, als Statthalter Gottes auf Erden. Ich hatte das Gefühl, wir können die Stadt einnehmen, nicht mit Gewalt, sondern mit der Präsenz, mit dieser Stärke, dieser Überzeugung, die ich da gespürt habe. Ich habe immer Gänsehaut bekommen, wenn alle Menschen um mich herum „Allahu Akbar“ gebrüllt haben.

In der Zeit hat sich die Szene radikalisiert. Wie kam das?

Es gab viele Faktoren. Bei uns regional spielte die Schließung unserer Moschee eine wichtige Rolle. Gegen eine neue gab es eine Bürgerinitiative, wir fühlten uns ungerecht behandelt. Dann haben sich manche Prediger zurückgezogen, neue kamen hinzu, auch Hetzer wie Mohamed Mahmoud und Denis Cuspert von Millatu Ibrahim in Solingen. Viele Jugendliche fanden das cool. Heute gibt es überall extreme Leute. Anfangs wurden Terroranschläge von wirklich allen abgelehnt. Im Koran steht doch, man soll sich nicht umbringen und schon gar nicht Unschuldige. Der Islam, den 17-Jährige heute kennenlernen, ist ganz anders als der, den ich als 17-Jähriger kennengelernt habe: offensiver, aggressiver, kompromissloser. Die Leute dahinter sind dieselben geblieben.

Sind sie auch gewaltbereiter?

Allgemein gesprochen, ja, auch gewaltbereiter. Vogel sagt ja ganz klar: Geht Konflikten aus dem Weg, aber wenn es zum Konflikt kommt, dann verteidigt euch.

Einige Ihrer ehemaligen Weggefährten aus der Mönchengladbacher Moschee sind inzwischen beim „Islamischen Staat“ in Syrien, Ihr früherer Freund Daniel soll eine Kampftruppe befehligen.

Daniel habe ich 2007 kennengelernt, er war quasi mein Schüler, wir haben viel Zeit miteinander verbracht. Daniel ist eine Fahne im Wind. Wenn ich eine Stunde mit ihm sprach, war er meiner Meinung. Er hat mir nicht gesagt, dass er geht, er wusste, ich würde ihm das ausreden. Er hat mir Anfang 2014 auf WhatsApp geschrieben: Du weißt, ich schätze dich und ich schließe dich nicht aus dem Islam aus, aber du bist auf dem Irrweg. Dann hat er sich bei WhatsApp abgemeldet.

Warum sind Sie nicht nach Syrien gegangen?

Ich war irgendwann an dem Punkt, an dem ich gesagt habe: Das kann ich nicht akzeptieren. Gewalt kam für mich nicht infrage. Irgendwann fing Daniel mit dem Thema an: Wir müssen über Dschihad reden, unsere Geschwister in Palästina, in Syrien, im Irak. Er hat mir Videos über die Opfer von Assads Krieg gegen die eigene Bevölkerung gezeigt, das war schrecklich, da musste ich auch weinen. Ich wollte nie das Kanonenfutter für irgendeinen Spinner sein.

Wann haben Sie begonnen, manches nicht zu akzeptieren?

2010. Es gab ein paar Schlüsselmomente. Als ein Prediger sagte: Wir nutzen hier die Meinungsfreiheit, aber in unseren Ländern gilt die für Christen nicht. Das war das erste Mal, dass ich dachte, das geht nicht, das ist nicht mein Gott. Relativ schnell kam danach diese Szene mit meinem alten Kumpel Dennis, der zu mir gesagt hat, Dominic, du bist echt ein guter Freund. Ich dachte sofort, der ist doch ungläubig, der darf nicht mein Freund sein. Aber ich dachte auch, er ist immer da, wenn ich ihn brauche, er ruft mich nicht zum Schlechten, sondern zum Guten, er ist mein Freund. Da hat die Kontrolle der Gefühle einen Riss bekommen. Dazu kam die Familie. Mit meiner Frau und den beiden Kinder habe ich mich nicht wohlgefühlt, sondern wie im Gefängnis. Das war die schlimmste Zeit meines Lebens. Irgendwann habe ich mich in den Zug nach Holland gesetzt und mir einen Joint besorgt. Und dann habe ich noch mal drei Jahre gebraucht, bis der Bart abkam und ich wieder Jeans angezogen habe.

Hatten Sie Angst? Sie galten und gelten als Abtrünniger.

Ja, manchmal. Es fing mit SMS an: „Wo bist du, Bruder? Wir vermissen dich.“ Der erste Shitstorm kam 2013 nach meinem Video, dass Jugendliche nicht nach Syrien gehen sollen. Das habe ich Daniel gewidmet. Das war schwer in dieser Nacht, da war ich allein zu Hause. Allein mit dem ganzen Druck. Die richtigen Drohungen fingen an, als ich dem Düsseldorfer Express ein Interview gegeben habe. Da stand dann einer unten vor der Tür, ich habe die Polizei gerufen. Bevor das Buch erscheint, ziehe ich weg von hier. Dazu hat mir der Verfassungsschutz geraten.

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