KOMMENTAR VON MANFRED KRIENER
: Ein Feiertag auch für Atheisten

Das Gericht stellt Erholung und Ruhe vor Profitgier und 24-Stunden-Konsumrausch

Wenn man ehrlich ist, muss man zugeben, dass „der da oben“ ziemlich viel Mist gebaut hat zu Zeiten der Genesis. Aber eines muss man ihm lassen: Dass er am siebten Tag seinen Sonntagsbraten ins Rohr schob, die Beine hochlegte, ein Glas himmlischen Rosé zwitscherte und mit dem iPod im Ohr genüsslich chillte – das war schon eine glänzende Idee vom lieben Gott. Es hätte auch nicht geschadet, sich und uns zwei oder drei Tage freizugeben, aber immerhin.

Die Sonntagsruhe ist ein wunderbares Geschenk, das Hamsterrad bleibt zumindest für 24 Stunden vorübergehend geschlossen. Das Bundesverfassungsgericht sieht dies ähnlich und hat der Rund-um-die-Uhr-und-sonntags-auch-noch-Gesellschaft die Rote Karte gezeigt. Nachdem seit 1957 die Ladenschluss-Gesetze 18-mal geändert und dem Kommerz die Ladentüren immer weiter geöffnet wurde, hat es den Sonntag als letzte Bastion gerade noch gerettet.

Das Gericht stellt Erholung, Ruhe und „seelische Erhebung“ vor Profitgier und das Recht auf Konsumrausch. Es hat mit seinem Urteil aber auch klargemacht, dass der Sonntag nicht nur für die „ungestörte Religionsausübung“ da ist, sondern auch zum Kartenspielen, zum Flanieren oder zum schlichten Faulenzen. Denn auch der strammste Atheist braucht jenen eigentümlichen Dämmerzustand, der uns sonntags gefangen nimmt: herrlich leere Straßen und das Blubbern dicker Soßen.

Leider lässt Karlsruhe mit seinem Urteil ein Hinterladentürchen offen. Der Sonntag soll zwar in der Regel Ruhetag sein, aber bis zu achtmal im Jahr darf ausnahmsweise doch der Scanner an der Kasse piepsen. Ein bisschen Erlebniseinkauf muss sein. Das Zugeständnis an den Handel ist nicht nur inkonsequent, es steht auch in Widerspruch zur eigenen juristischen Argumentation, nach der der Sonntagsschutz im Grundgesetz verankert ist. Dort steht nicht, dass das Gesetz achtmal im Jahr ungültig ist.

Dem Handel helfen die acht Sonntage ohnehin nicht, weil die Extraöffnungszeiten erwiesenermaßen keinen echten Umsatzsprung bewirken. Wer sonntags einkauft, fehlt eben montags und dienstags. So haben alle verkaufsoffenen Sonntage, auch die während der letzten Fußball-WM, vor allem eines gebracht: Ernüchterung statt klingelnder Kassen.

Fazit: Jede große Kultur braucht ihren Ruhetag. Und manch einer von uns braucht sogar zwei.