Doku über Cyberkrieg gegen den Iran: „Wir sind noch in ihrem System“

Die investigative Doku „Zero Days“ zeigt, dass Stuxnet nur ein kleiner Teil des israelischen und US-Cyberkriegs gegen den Iran war.

Codezeile des Stuxnet-Virus

Eine Codezeile des Stuxnet-Virus – Still aus „Zero Days“. Foto: Alex Gibney/Berlinale

Filmfestivals sind gewöhnlich ein Ort der Reflexion, selten befindet man sich in Cannes, Venedig oder in Berlin auf Augenhöhe mit tagesaktuellen Ereignissen. Alex Gibneys neuer Blockbuster-Dokumentarfilm „Zero Days“ – inklusive eines slicken Oberflächendesigns aus den Spezialeffektschmieden Hollywoods – machte dagegen bereits vergangene Nacht, weniger als 24 Stunden vor seiner Weltpremiere, Schlagzeilen auf den Nachrichtenportalen.

Gibney rekapituliert in „Zero Days“ die Hintergründe der sogenannten Stuxnet-Cyberangriffe auf iranische Atomanlagen, die 2010 öffentlich wurden. Seine umfangreichen Recherchen warten nach gut zwei Stunden mit einem investigativen Clou auf, der Skeptiker amerikanischer Geheimdienstaktivitäten kaum mehr überraschen wird: Die „Operation Stuxnet“ (in NSA/CIA-Kreisen „Olympic Games“ genannt) der US-amerikanischen und israelischen Geheimdienste war nur ein Puzzleteil in einem langfristig angelegten Cyberkrieg gegen den Iran. „Wir sind immer noch in ihrem System“, erklärt eine anonyme Quelle am Ende des Films, die von einer digital unkenntlich gemachten Schauspielerin dargestellt wird. (Die NSA macht auch ihre Öffentlichkeitsarbeit verdeckt).

Dieser doppelte Mummenschanz passt gut in Gibneys Konzept, der sich ein paar Tricks aus dem Hollywoodkino zum „Krieg gegen Terror“ abgeguckt hat. „Zero Days“ funktioniert selbst wie ein Spionagethriller, bis hinein in seine Suspensestruktur, mit einem kühlen Impuls auf der Tonspur. Gibney zieht die Geschichte, die fragmentarisch in zig Artikeln auch im Netz kursiert, noch einmal chronologisch auf – angefangen bei Sergey Ulasen, der 2010 in Weißrussland ungewöhnliche Malware-Aktivitäten entdeckte, und dem amerikanischen Sicherheitsunternehmen Symantec, das das Zentrum der Aktivitäten im Iran lokalisierte.

Zahlreiche Geheimdienstler kommen im Film zu Wort. Der redseligste von ihnen ist der ehemalige NSA- und CIA-Direktor Michael Hayden, der den Charme einer Firewall versprüht: „Ich weiß nichts über die Hintergründe. Trotzdem kann ich nicht darüber reden.“ Seine anderen Gesprächspartner (ehemalige Mossad-Mitarbeiter, ein früherer Direktor des israelischen Nachrichtendienstes, Ex-CIA-Mitarbeiter und -Heimatschützer) treiben Gibney mit ihren Erinnerungslücken ebenfalls zur Verzweiflung, obwohl die Fakten ja längst auf dem Tisch liegen. Gibneys Anliegen geht dann auch über die bloße Enthüllung hinaus, er will mit seinen Fragen vor allem eine demokratische Debatte forcieren.

18.2., 9.30 Uhr und 19.2., 12.15 Uhr, Friedrichstadt-Palast, 19.2., 22.30 International (D)

Denn letztlich ist die amerikanische Infrastruktur nicht weniger anfällig für Hackerangriffe als die iranische, wie Gibneys anonyme Quelle bestätigt. Die USA haben mit dem Stuxnet-Angriff die Ära des Cyberwar ausgerufen – und der kennt keine Regeln mehr. Hier ist auch Gibney um kein apokalyptisches Szenario verlegen. Jemand sollte dem Mann endlich das Budget für einen Actionthriller geben.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.