Die Geburt des Carsharing aus dem Geist der Öko-Aktivisten

Gründungsgeschichte Aus der alternativen Bremer „Stadtauto“-Initiative ist unter dem Label „Cambio“ ein bundesweites Carsharing-Netz entstanden. Inzwischen tummeln sich auf dem prosperierenden Markt auch die großen Autobauer. So nachhaltig wie ihre Vorbild sind sie aber noch lange nicht

150 Firmen konkurrieren derzeit in Deutschland mit Carsharing-Angeboten, darunter inzwischen Tochtergesellschaften von Daimler, BMW und der Deutschen Bahn. Sie gehen von großen Wachstumsprognosen aus, es geht um die Zukunft der Mobilität.

In Bremen fing alles an, vor 25 Jahren. Da traf sich ein kleiner Kreis von Öko-Freaks, die dem Verein „Ökostadt“ angehörten. Sie beschäftigten sich auf ihren Vereinssitzungen mit verrückten Ideen für eine bessere Zukunft. Irgendjemand hatte von der Idee gehört, dass man Autos gemeinsam nutzen könne, und dass es in Zürich so etwas schon gebe, auch in Berlin.

Conny Wagner aus der Schweiz wurde eingeladen und Markus Petersen, der mit seinen Brüdern in Kreuzberg eine „Stattauto Car-Sharing GmbH“ gegründet hatte. In Bremen war Joachim Schwarz dabei, ein Student der Sozialpädagogik, Schwerpunkt Gemeinwesenarbeit. Er hatte nach seinem Examen in verschiedenen „selbstverwalteten Betrieben“ gearbeitet und war als „Moderator“ tätig geworden für die besetzten Häuser in der Bremer Heinrichstraße.

Schwarz selbst war alles andere als ein Autohasser. „Früher bin ich gern schnell gefahren“, gestand er später einmal. Aber politisch war er davon überzeugt, dass weniger Autos einem Gemeinwesen guttun. Damals stellte einer der „Gründer“ sein altes privates Auto für die kleine Gruppe der Mitgründer zur Verfügung, unter dem Dach von „Ökostadt“ ging es los.

Ökostadt-Vorstand Joachim Schwarz organisierte das Auto-Teilen. Ohne ihn wäre die Idee so verrauscht wie viele andere gute Ideen. Zwei Jahre später war die Zahl der Nutzer so groß, dass „Stadt Auto“ als GmbH ausgegründet werden musste. Ein Verein sorgte dafür, dass alle alles gleichberechtigt besprechen konnten.

Ein Überzeugungstäter ist der inzwischen 57-jährige Joachim Schwarz auch heute noch, wenn er als Geschäftsführer der Cambio-Holding eine Unternehmensgruppe steuert, die über 180 Mitarbeiter hat und in 19 deutschen Städten ein Carsharing-Angebot macht. Aufgrund seiner Erfolge auf dem deutschen Markt hat die Belgische Staatsbahn im Jahre 2002 Cambio als Partner und 25,1 Prozent Unternehmensanteile ins Boot geholt, als in Belgien flächendeckend ein Carsharing-Modell aufgebaut werden sollte. In Irland ist die Bremer Cambio-Zentrale inzwischen als Berater tätig.

Während die großen Autofirmen auf den in Ballungsräumen stark wachsenden „Free Floating“-Markt setzen, bei dem die Autos irgendwo abgestellt werden können, lassen sich stationsgebundene Anbieter wie Cambio die Bereitstellung der Autos mit einem monatlichen Mitgliedsbeitrag finanzieren. Das macht die Mitgliedschaft verbindlicher und schlägt sich auch im stadtökologischen Effekt nieder: Untersuchungen zufolge „spart“ ein Cambio-Auto 15 private PKWs, ein Free-Floater-Auto dagegen nur drei.

Machen die großen Autokonzerne der mittelständischen Cambio-Holding nun Konkurrenz? Ja und nein, sagt die Holding-Sprecherin Bettina Dannheim. Einerseits gibt es die Free Floater nur in Metropolen und auch dort nur in den Zen­tren, in Bremen also schon mal nicht. Während die stationsgebundenen Angebote in der Fläche 336 Millionen Einwohner erreichen, Tendenz wachsend, erreicht Free Floating in 13 Me­tropolen zehn Millionen Einwohner, Tendenz leicht sinkend. Bei seinem Versuch, in London Fuß zu fassen, ist Car2Go gerade auf den Bauch gefallen und musste 650 Autos mit Rechts-Lenker zurücknehmen.

Die Angebote der großen Firmen haben aufgrund ihrer Marketing-Möglichkeiten die Idee des Auto-Teilens sehr populär gemacht. Den Wachstumsprozess von Cambio hat das nicht beschleunigt, er ist aber auch nicht gebremst worden. KAWE