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Druck eingestellt: der „Independent“ vom Samstag Foto: Archiv

Der letzte Independent

Zum Schluss hat man in London noch einmal alle Register gezogen. Der britische Independent erschien am Samstag in seiner letzten Ausgabe mit einer 16-seitigen Souvenirbeilage, in der die Höhepunkte des Blattes noch einmal nacherzählt werden. Die meisten Mitarbeiter der Tageszeitung waren am Karfreitag zur Produktion in die Redaktion gekommen. Aufmacher der Abschiedsausgabe ist eine exklusive Geschichte über eine britische Beteiligung an einem Plan, den saudiarabischen König zu töten.

Die allerletzte Ausgabe erschien mit einer Banderole, auf der „Stop Press“ stand. Bei der Schwesterzeitung Independent on Sunday wurden die Druckmaschinen bereits am vorvergangenen Sonntag für immer gestoppt.

Künftig werden die Blätter nur noch online erscheinen. Die Zeitung i, die billige, aber profitable Kurzausgabe des Blattes, wurde Anfang des Jahres für 24 Millionen Pfund an den Verlag Johnston Press verkauft.

1986 hatten drei Journalisten des konservativen Daily Telegraph die Idee, eine unabhängige Zeitung links von der Mitte zu etablieren. Der Erfolg gab ihnen zunächst recht, 1990 lag die verkaufte Auflage bei ­immerhin 423.000 Exemplaren. Doch als Medienmogul Rupert Murdoch einen Preiskrieg anzettelte und seine Times für 10 Pence verschleuderte, ging es mit dem Independent bergab.

Daran konnten weder Experimente mit Gemälden statt Fotos oder Meinungsartikel auf der Titelseite noch das Schrumpfen auf Boulevardformat etwas ändern. Selbst die Auszeichnung als beste überregionale britische Zeitung des Jahres 2004 brachte keine Wende.

Die Zeitungsgründer gaben ihre Unabhängigkeit auf, die Blätter gingen nacheinander an vier Investoren, zuletzt an den ehemaligen russischen Geheimdienstagenten Alexander Lebedew, der die Titel 2010 für den symbolischen Preis von einem Pfund kaufte und dafür die Schulden übernahm. Sein Sohn Jewgeni, der seit vorigem Jahr Herausgeber war, wollte diese Verluste nun nicht länger finanzieren.

100 Menschen haben mit dem Ende der Printausgabe ihre Jobs verloren. Sie mussten ein Schweigegelübde ablegen, um ihre Abfindung nicht zu gefährden. Weder mündlich noch schriftlich dürfen sie sich über die Schließung des Independent, das Management oder die He­raus­geber äußern.

Ganze 30 Mitarbeiter sollen nun den Onlineauftritt stemmen. Es ist absehbar, dass sie den großen Besucherrückstand gegenüber den Internetseiten der Konkurrenz nicht werden aufholen können. Ralf Sotscheck