Ästhetik als Ausdrucksform

AENIGMA Gibt es anthroposophische Kunst? Diese Frage stellte das Kunstmuseum Moritzburg

Rudolf Steiner war ein leidenschaftlicher Verfechter der Ästhetik als Ausdrucksform. Sie spielt neben der Förderung der Kreativität eine bedeutende Rolle in seiner Weltanschauung. Davon zeugen bis heute sowohl Bauten, allen voran das imposante Goetheaneum in Dornach, aber auch Werke der bildenden und angewandten Kunst, die etwa die Mitglieder der Gruppe Aenigma schon zu Beginn des vergangenen Jahrhunderts hervorbrachten. Unter den Künstlern dieser Vereinigung war Steiner eine Art Star, und so sollen sie ihn im Jahr 1918 gebeten haben, ihnen einen Namen zu geben. Aenigma, das Rätsel, beschreibt, was die Kunst auch für Steiner selbst bedeutete, ein Ausdruck des persönlichen Zugangs zur spirituellen Welt: „Überall, wo aus wahrer künstlerischer Gesinnung Kunst herausgebildet wird, ist die Kunst ein Zeugnis für das Zusammenhängen des Menschen mit den übersinnlichen Welten.“ So ist etwa Steiners von Goethe inspirierte Farbenlehre der Weg, das fertige Werk der Ausdruck des Geistigen. Rosenrot ist demnach die Farbe der Liebe, Rotviolett steht für Gottes Andacht. So hat jede Farbe eine Bedeutung, die in die Kunst einfließt.

Seit der Gründung der Künstler- und Ausstellungsvereinigung Aenigma gab und gibt es eine Reihe von Künstlern, die sich der Anthroposophie verbunden fühlen und ihre Arbeit zur anthroposophischen Weltanschauung in Bezug setzen. Doch gibt es so etwas wie an­thro­posophische Kunst überhaupt, und wenn ja, wie sieht diese aus? Diese Frage stellte im vergangenen Jahr das Kunstmuseum Moritzburg in Halle (Saale) im Rahmen der Ausstellung „Aeni­gma – 100 Jahre An­thro­posophische Kunst“. Und kam zu dem Schluss, dass es keine einheitliche Linie und keine gemeinsame Bewegung gibt, sondern verschiedene Richtungen, gewissermaßen eine anthroposophische Strömung in der Kunstgeschichte. Zu sehen waren die Werke von 125 Kunstschaffenden, die zwischen 1913 und 2013 gelebt und gearbeitet haben, neben klassisch bildendender Kunst auch Exponate aus den Bereichen Architektur, Poesie, Musik bis hin zur Eurythmie. Eine Zusammenstellung, die in dieser Form bisher einmalig war: von großformatigen, abstrakten Werken Hilma af Klints bis zu klassischen Stickereien und Möbeln oder den reduzierten, symbolbehafteten Werken von Joseph Beuys. Der Aktionskünstler war ein Meister der Symbolik in der Kunst und vermutlich einer der berühmtesten Vertreter der anthroposophischen Kunst. Die Ausstellung zeigte auch, dass die anthroposophisch beeinflusste Kunst nach 1933 erst vom Nationalsozialismus und später vom Sozialismus unterdrückt worden ist. Frei entwickeln konnten sich die Künstler nach 1945 nur in der Bundesrepublik und dem westlichen Europa.Petra Haubner