american pie
: Himmelblaue Sorgen

BASKETBALLDie North Caro­lina Tar Heels verlieren ein dramatisches Finale um die College-Meisterschaft und wieder ein Stück ihres guten Renommees

Selbst Michael Jordan konnte nur noch anerkennend nicken am Montagabend in der Arena von Houston, Texas. Gerade hatten die Villanova Wildcats im furiosen Finale des College-Basketballturniers seine North Carolina Tar Heels 77:74 geschlagen – dank eines 3-Punkte-Wurfs in der Schlusssekunde. Jordan, der größte der Großen im Basketball, einst Starspieler des Universitätsteams von Carolina, wollte dabei sein, wenn seine Mannschaft nach einigen erfolglosen Jahren endlich wieder die nationale College-Meisterschaft gewinnt – nach einer überragenden Saison.

Es kam jedoch anders in einem Spiel, das dramatischer kaum hätte sein können. „Ich wusste schon, dass dieser Wurf reingeht, als der Ball die Hand des Spielers verließ“, sagte der sichtlich mitgenommene Tar-Heels-Trainer Roy Williams danach. „Das größte Problem jetzt ist: Was sagst du deinen Jungs nach so einem Spiel?“ Der 65-Jährige ist seit 2003 Trainer der Tar Heels, eine Institution weit über den College-Sport hinaus. Bereits 2005 und 2009 führte Williams die traditionsreiche Uni zum Titel des College-Verbands NCAA – seitdem dauert nun die für die erfolgsverwöhnte Uni ungewohnte Durststrecke an.

Das Renommee ist angekratzt, nicht nur aufgrund eines aufgedeckten Betrugsskandal, der auch für das Sportprogramm empfindliche Folgen haben könnte. Die Auswirkungen der sportlichen Dürreperiode sind obendrein schon sichtbar: Für große High-School-Talente ist North Carolina so unattraktiv wie selten zuvor in der Geschichte. „Der Unterschied zwischen Gewinnen und Verlieren ist im College-Basketball so gering“, sagt Williams. Er weiß: Auch die Finalteilnahme – eigentlich ein Erfolg – wird die Situation nicht grundlegend ändern.

Die Universität aus dem Süden der USA gehört zu den bekanntesten im College-Basketball, das unverwechselbare „Tar Heel Blue“ – eine Art Himmelblau – ist längst eine eigene Farbe, ein Markenzeichen der Mannschaft aus Chapel Hill. Fünfmal gewann die Mannschaft bereits die NCAA-Meisterschaft, stand 19-mal im Final Four, also Halbfinale und Finale der „March Madness“, der heißen Phase der Meisterschaft. Ihre große Popularität hat die Fakultät noch immer besonders Jordan zu verdanken. 1984 aber verließ der damals 19-Jährige „MJ“ die Uni Richtung NBA und veränderte bekanntlich die Basketballwelt.

Ein Segen auch für die Tar Heels, die dank der außerordentlichen Referenz über Jahre bei High-School-Talenten hoch im Kurs stand und als eine der größten Talentschmieden des Landes galt. Doch zuletzt sammelten die ewigen Rivalen aus Kentucky und der benachbarten Duke-Universität Titel und Finalteilnahmen. Die größten High-School-Talente wandern reihenweise an eine der drei Unis, hier scheint eine große Profi-Karriere – inklusive Millionenverträgen und Sponsorendeals – längst am aussichtsreichsten. Aktuell spielen 17 North-Carolina-Absolventen in der NBA, doch schon lange hat sich kein Abgänger mehr zum Ausnahmespieler entwickelt. Duke dagegen stellt Kyrie Irving, Jabari Parker und Jahlil Okafor, Kentucky gar John Wall, DeMarcus Cousins, Anthony Davis und Karl-Anthony Towns – allesamt Basketballer, die schon jetzt oder zumindest als kommende Superstars gelten.

„Wir müssen dieses Spiel gewinnen“ sagte Tar-Heels-Flügelspieler Justin Jackson noch vor dem Endspiel – auch imnGedanken an die sportliche Zukunft des Teams. Aus der aktuellen Tar-Heels-Mannschaft, einem Kader ohne Vorspieler, dafür stark im Kollektiv,wird wohl einzig Forward Brice Johnson den Sprung in die NBA wagen. Fünf weitere Akteure waren in ihrem letzten College-Jahr und werden die Mannschaft verlassen müssen. David Digili