Unerwartet im Höhenflug

Fußball Vor der Saison hat keiner damit gerechnet: Der Berliner Athletik Klub hat sich in der Regionalliga trotz personeller Umbrüche auf den zweiten Platz gekämpft. Jetzt ist für die Überraschungsmannschaft dieser Spielzeit sogar der Aufstieg drin

Noch wirken sie bodenständig: Sportdirektor Kemal Halat und Trainer Steffen Baumgart auf der Weddinger Hanne-Sobek-Sportanlage Foto: Piero Chiussi

von Jürgen Schulz

„Unsere größte Stärke ist der Zusammenhalt“, sagt Mittelfeldspieler Zafer Yelen, „auf dem Platz und auch außerhalb. Wir rücken immer enger zusammen. Wir sehen, was möglich ist.“ Das ist möglich: zweiter Platz in der Tabelle und nach dem sensationellen 2:1-Sieg gegen Tabellenprimus Zwickau realistische Chancen auf den Aufstieg. Der BAK ist eine der Überraschungsmannschaften dieser Spielzeit.

Kaum jemand hätte vor der Saison damit gerechnet. Noch in der Winterpause hatte der BAK sieben Punkte Rückstand auf Tabellenführer Zwickau und damit auf den Aufstiegsplatz in die Dritte Liga; jetzt sind es nur noch drei Pünktchen, dazu hat der BAK noch ein Nachholspiel in der Hinterhand. Andere Teams in der Regionalliga mögen die besseren Einzelspieler haben, aber die Berliner bauen auf mannschaftliche Geschlossenheit. Auch, als es nach der Winterpause zum großen Umbruch kam.

Neun Spieler verließen damals die Mannschaft. Der BAK war gezwungen, das Team fast völlig neu zusammenzubauen. „Wir haben schon im Sommer einen Umbruch gehabt, als einige Spieler gingen“, sagt Trainer Steffen Baumgart. „Aber der Stamm der Mannschaft ist geblieben, darauf konnten wir aufbauen.“

Dennoch keine leichte Aufgabe, denn in der Winterpause verstärken sich für gewöhnlich Mannschaften, die im Abstiegskampf stecken. Gute Spieler sind somit kaum zu haben, weil sie anderweitig unter Vertrag stehen. Wer gleich zehn Neuzugänge einbaut wie der BAK, muss ein feines Gefühl haben: Wie funktioniert die Mannschaft, wie verändert sich die Hierarchie im Team durch die Neuzugänge? Einen großen Anteil daran hat der neue Trainer Steffen Baumgart.

Dieser ist seit dieser Saison Trainer des BAK und lässt sich durch nichts aus der Ruhe bringen. Früher stürmte er als Profi für Hansa Rostock, Energie Cottbus und den 1. FC Union Berlin. In Köpenick gilt der volksnahe Typ mit dem Kämpferherzen als Ikone. Auch den aktuellen Erfolg betrachtet er gelassen. „Es überwiegt die Freude, dass wir es bis hierher geschafft haben“, kommentiert Baumgart den Höhenflug des BAK.

Dabei fällt es nicht immer leicht, sich auf das Sportliche zu konzentrieren, denn beim Berliner AK unter Präsident Mehmet Ali Han dreht sich häufig das Personalkarussell. Nicht nur die neun Spieler verließen den Verein in der Winterpause, sondern auch Sportdirektor Rocco Teichmann, der seinerseits das Amt erst 2014 übernommen hatte. Neuer Sportdirektor ist seit März Kemal Halat. „Die Infrastruktur beim BAK stimmt“, beteuert Halat. „Wir wissen, wo wir herkommen.“

Der rasante Aufstieg der einstigen Skandalnudel BAK, die knapp dem Bankrott entging, begann kurz nach der Jahrtausendwende mit dem Einstieg des Präsidenten Mehmet Ali Han. Der Bauunternehmer Han formte aus dem Nobody BAK, der einst auf dem Weddinger Sportplatz an der Lüderitzstraße spielte, einen Verein mit rund 800 Mitgliedern. Der Netzwerker Han hat einen Sponsorenpool aufgebaut, der den Regionalliga-Etat stemmt. Zu den Geschäftszahlen äußert sich der Boss nicht. Nur so viel sagt Han: „Wir wollen Erfolg, aber nicht um jeden Preis.“

Der Berliner Athletik Klub

Am 15. Dezember 1907 wurde der Berliner Athletik Klub im Wedding mit Schwerpunkt Leichtathletik gegründet. Die BAK-Fußballer stiegen in den 1990er Jahren von der Kreisliga bis in die Oberliga auf.

2004 stieß der heutige Präsident Mehmet Ali Han mit seinem damaligen Klub BSV Mitte zum BAK. 2006 ging der BAK eine Kooperation mit dem türkischen Erstligisten Ankaraspor ein. Der Vereinsname der Weddinger wurde in Berlin Ankaraspor ­Kulübü geändert, die Traditionsfarben Rot-Weiß der Berliner wichen dem Blau-Weiß des türkischen Partners. Die Zusammenarbeit endete nach einem Jahr.

Am 15. April 2011 kehrte der Klub offiziell zum alten Vereinsnamen und den Originalfarben zurück. Für bundesweites Aufsehen sorgte der BAK, als die Mannschaft am 18. August 2012 den Bundesligisten TSG Hoffenheim in der 1. Runde des DFB-Pokals im Poststadion mit 4:0 besiegte. (jus)

Han gilt als zupackender Typ, was nicht allen behagen soll. „Der Präsi verfolgt konsequent seine Ziele“, erklärt Halat. So verließen in der Winterpause wieder mal zahlreiche Akteure den Verein. „Vielleicht war es eine Flucht für sie“, mutmaßt Baumgart. Auch Robert Hoyzer, der 2014 als Technischer Direktor beim BAK verpflichtet worden war, verließ den Verein schon im Jahr darauf.

Sportlich aber könnte es nicht besser laufen. Eigentlich hätte man eher den BFC Dynamo aus Hohenschönhausen auf dem aufsteigenden Ast vermutet, doch der BAK hat um einige Punkte besser abgeschnitten als der frühere DDR-Rekordmeister. Damit ist das erste Etappenziel erreicht. „Wir wollen die Nummer drei in Berlin werden“, hat der Bauunternehmer Han verkündet. Auch wenn die Lücke, die hinter Hertha und dem 1. FC Union klafft, wohl nie zu schließen sein wird – sportlich und in Bezug auf das Umfeld. „Was uns fehlt, ist eine gewachsene Fankultur“, erzählt Halat. Meist fliegen die Weddinger Kicker in der Wahrnehmung der Hauptstadt „unter dem Radar durch“, wie Baumgart meint.

Das soll mittelfristig anders werden. Als der Trainer im Sommer 2015 seinen Job antrat, überraschte ihn sein Präsident mit der Ankündigung: „Wir wollen aufsteigen!“ Angeblich sollte Hans hehre Zielvorgabe intern bleiben, womöglich, weil der BAK sonst müde belächelt worden wäre. Baumgart hätte lieber eine Guerilla-Taktik gewählt: „Mir hätte es gereicht, dass wir oben mitspielen und dann von hinten durch die Brust kommen.“

Nun hat er den BAK auch ohne Guerillataktik nach oben geführt. Doch Baumgarts Zukunft ist ungeklärt, denn sein Vertrag läuft am Saisonende aus. Wer mit einer Mannschaft eine derart erfolgreiche Saison spielt, erweckt Interesse auf dem Arbeitsmarkt. Baumgart sagt: „Es wäre blauäugig, zu glauben, dass unsere Arbeit nicht auffallen würde.“