Allahs ahnungslose Diener mögen das Fest der Liebe nicht

INDONESIEN Der Rat der Muslim-Gelehrten verbietet Weihnachtsgrüße. Die Bevölkerung ignoriert das

Der Muslim-Rat schürt die Angst der muslimischen Mehrheit

RELIGIONSWISSENSCHAFTLER A. MUNJID

AUS JAKARTA ANETT KELLER

Die Weihnachts-SMS einer Freundin, einer gläubigen Muslima, lässt aufhorchen: „Frohe Weihnachten an alle meine Freunde. Möge Allah eine Tür zur Vergebung öffnen für jene seiner Diener, die keine Ahnung von Pluralismus haben.“ Mit Allahs ahnungslosen Dienern meint sie Indonesiens Rat der Muslimgelehrten (MUI). Dessen führende Vertreter hatten wenige Tage vor Heiligabend an Muslime appelliert, keine Weihnachtswünsche an Christen auszusprechen und nicht an Weihnachtsfeierlichkeiten teilzunehmen.

Indonesien beheimatet mit 90 Prozent der 240 Millionen Einwohnern die meisten Muslime der Welt, ist aber kein islamischer Staat. Der Rat der Muslimgelehrten (MUI) wurde 1975 auf Initiative der Regierung von Militärdiktator Suharto gegründet. Islamische Organisationen sollten stärker an den Staat gebunden werden. In den letzten Jahren machte der MUI zunehmend mit einer sehr konservativen Agenda auf sich aufmerksam.

MUI-Vertreter und die Befürworter ihrer intoleranten Haltung beziehen sich auf eine Fatwa des MUI von 1981, die Muslimen die Teilnahme an christlichen Ritualen untersagt. Dies werde nun pauschal gleichgesetzt mit der Anwesenheit bei Weihnachtsgottesdiensten und dem Versenden von Weihnachtswünschen, so der Religionswissenschaftler Ahmad Munjid. Damit würden Ängste von Muslimen vor dem Verlust der Mehrheitsposition bedient, so Munjid: „Diese politische Instrumentalisierung ist sehr gefährlich.“ Sie biete die Grundlage für die Verfolgung von Minderheiten, die in den letzten Jahren in Indonesien zugenommen hat.

Die antipluralistische Haltung des MUI wurde jedoch von Politikern und selbst hohen Vertretern der großen muslimischen Massenorganisationen zurückgewiesen. Noch für Donnerstagabend war die Teilnahme von Staatspräsident Susilo Bambang Yudhoyono an einem Weihnachtsempfang verschiedener Kirchgemeinden in Jakarta geplant. Joko Widodo, Gouverneur von Jakarta, besuchte am Weihnachtsabend die beiden größten Kirchen der Hauptstadt. Auch Führungspersönlichkeiten der muslimischen Massenorganisationen des Landes stellten sich gegen die Haltung des MUI.

„Warum sollte ich meinen Nachbarn und Brüdern, die anderen Religionen angehören, nicht ‚Frohe Weihnachten‘ wünschen?“, fragte Said Aqil Siradj, der Vorsitzende von Nahdlatul Ulama, der mit mehr als 30 Millionen Mitgliedern größten muslimischen Organisation des Landes, in der indonesischen Tageszeitung Rakyat Merdeka. „Weder im Koran noch in den Hadithen“ sei „ein solches Verbot zu finden“, so Said.

Sollte die Häufigkeit der Weihnachtswünsche per SMS als Indikator gelten, haben nicht viele Indonesier auf den MUI gehört. Nach Angaben von Mobilfunkbetreibern stieg die Handynutzung während der Weihnachtsfeiertage um 200 Prozent. Auch via E-Mail, Facebook und Twitter sandten muslimische Indonesier wie gewohnt Weihnachtswünsche an ihre christlichen Landsleute. Darunter auch diesen: „Eigentlich reicht es nicht, nur ‚Frohe Weihnachten‘ zu wünschen. Wir sollten mehr tun, wir sollten religiöse Feiertage ausgewogen feiern. Lasst den MUI ruhig auf seiner Meinung beharren. Je dickköpfiger sie werden, umso enger werden wir zusammen stehen.“