„Ein deutscher ‚Independent‘ ist Unfug“

Ein britischer Investor will die „Berliner Zeitung“ kaufen – und den deutschen Zeitungsmarkt aufrollen. Das wirdnicht klappen, meint Medienexperte Horst Röper. Denn überregionale Zeitungen machen hierzulande kaum Profit

taz: Herr Röper, wenn das Konsortium unter Führung des britischen Managers David Montgomery den Berliner Verlag kauft, geht erstmals ein deutsches Zeitungshaus komplett an einen internationalen Investor. Ist das ein Einzelfall – oder nur der Anfang?

Horst Röper: Das kann Signalwirkung für andere haben, muss aber nicht zwangsläufig so sein. Wir hatten schon in den vergangenen Jahren immer mal wieder Interessenten aus dem Ausland. Die sind aber eben bisher nie zum Zuge gekommen.

Liegt das daran, dass sich Sprache und Zeitungskultur nicht von einem Land ins andere transportieren lassen?

Sie müssen nicht unbedingt Schiffbruch erleiden. Aber der deutsche Zeitungsmarkt unterscheidet sich schon von dem anderer Ländern. Und dass diese ausländischen Investoren vom Geschäft in Deutschland mehr verstehen als alle hiesigen Verleger und es schaffen, die Renditen wie angekündigt nach oben zu treiben – da habe ich große Zweifel. Erst recht im schwierigen Berliner Markt.

Was macht ihn denn so kompliziert?

In Berlin gibt es viel mehr konkurrierende Titel, als wir das sonst in Deutschland haben – inklusive Boulevardblätter neun Tageszeitungen mit lokalem Angebot. Damit klarzukommen, ist für niemanden einfach.

David Montgomery will aus der Berliner Zeitung ja auch ein Blatt mit überregionalem Anspruch wie den Londoner Independent machen.

Ich glaube nicht, dass er das wirklich ernst gemeint hat. Solche Ideen für überregionale Zeitungen kosten schrecklich viel Geld und bringen nichts. Aus der Berliner Zeitung sollte ja schon mal die deutsche Washington Post werden. Das ist Quatsch.

Warum gibt es denn in Deutschland keinen Platz für weitere überregionale Titel?

Erstens ist der Markt schon besetzt. Und zweitens haben wir – auch im internationalen Vergleich – ein nur sehr begrenztes Interesse für und folglich sehr begrenzte Auflagen bei überregionalen Zeitungen.

Aber die Überregionalen kommen auf immerhin 1,5 Millionen Exemplare täglich.

Stimmt. Aber ziehen Sie mal bei der Süddeutschen Zeitung und den anderen Titeln die Anteile ab, die sie in ihren jeweiligen Kerngebieten erzielen, wo sie auch Regional- bzw. Lokalzeitung sind. Da bleiben nur wenige hunderttausende Exemplare übrig. Und um die balgen sich schon heute immerhin – je nach Zählweise– fünf bis sieben Titel.

Für Montgomery und seine Investoren soll Berlin ja nur der Anfang sein. Sie wollen noch weitere deutsche Titel kaufen und Zeitungsketten bilden.

Ich sehe nicht, wie die das schaffen wollen. So etwas versuchen ja auch deutsche Zeitungsunternehmen. Aber seit vielen Jahren steht, wenn überhaupt, immer nur eine begrenzte Zahl von Blättern zum Verkauf. Wenn die britischen Investoren sagen, in den letzten drei Jahren waren 10 bis 15 Titel zu haben, werden da sicherlich auch kleine Lokalzeitungen mitgezählt. Ich bin aber sicher, dass sich ausländische Investoren für solch kleine Titel gar nicht interessieren. Außerdem werden viele Titel gar nicht offen gehandelt. Verleger suchen sich eher einen ihnen genehmen Kandidaten. Der deutsche Markt funktioniert da schon anders, als die britischen Investoren sich das vorstellen.

Ist es denn überhaupt wünschenswert, dass sich ausländische Investoren am deutschen Zeitungsmarkt beteiligen?

Ja. Der deutsche Zeitungsmarkt ist hoch konzentriert, da sind ausländische Investoren zu begrüßen: Es sind schlicht andere Player, und die publizistische Macht würde auf mehr Schultern verteilt. Das wäre positiv. Zudem kann sich die deutsche Medienbranche gar nicht leisten, Abschottungspolitik zu betreiben. Deutsche Verlage verdienen doch selbst klotzig im Ausland.

Die Belegschaft des Berliner Verlags lehnt die britische Lösung ab. Sind Montgomery & Co. denn Heuschrecken?

Zu den konkreten Investoren und ihren Plänen kann ich nichts sagen. Da ist noch zu wenig bekannt. Generell gilt aber: Nicht alle Fonds und Risiko-Kapitalgeber agieren immer nach dem Muster der Heuschrecken. Beim Springer-Fachverlag mit seinen Wissenschaftszeitschriften klappt das mit ähnlichen ausländischen Investoren ganz prima.

Was wird aus dem Berliner Verlag, wenn der Deal zustande kommt?

Ich rechne nicht mit einem Kahlschlag. Dagegen spricht doch, dass die Investoren nach eigenem Bekunden mehr vorhaben im deutschen Zeitungsmarkt. Da müssen sie sich ja erst mal qualifizieren. Und das klappt bestimmt nicht, wenn sie jetzt brachial beim Berliner Verlag reingehen. Sie werden sich eher zurückhaltend verhalten, um bei anderen lohnenden Geschäften ins Gespräch zu kommen.

INTERVIEW: STEFFEN GRIMBERG