„Ich bin ein Fan des Klingelbeutels“

Scheine Das Aus für den 500er ist besiegelt. Gut so, sagt Finanzexperte Rudolf Hickel. Aber Bargeld müsse es weiter geben

Auslaufmodell: 500-Euro-Schein Foto: Matthias Balk/dpa

Interview Beate Willms

taz: Herr Hickel, ist es richtig von der Europäischen Zentralbank, den 500-Euro-Schein abzuschaffen?

Rudolf Hickel: Absolut. Die 500er Note wird in Spanien nicht umsonst „der Bin Laden“ genannt – sie ist der Schein, der sich am besten für Wirtschaftskriminalität, Geldwäsche und Steuerhinterziehung eignet, mit ihm werden Waffengeschäfte und Terror finanziert. Das ist ja eine praktische Frage: Eine Million Euro in 50er-Scheinen wiegt 22 Kilogramm, aber eine Million in 500ern kommt nur auf 2,2 Kilogramm, das passt dann deutlich besser in ein Köfferchen.

Dann sind große Scheine aber auch für die Normalbürgerin praktisch, etwa wenn sie ihr Erspartes daheim horten will.

Ich habe mal eine Blitzumfrage hier im Institut gemacht. Ergebnis: Niemand hatte je einen 500er gesehen. Für den Zahlungsverkehr ist er völlig überflüssig. In vielen europäischen Ländern hat man die 500-Euro-Note immer schon misstrauisch beäugt. Die spanische Peseta oder die griechische Drachme gab es früher zwar als 10.000er-Note, die waren aber gerade mal umgerechnet 60 beziehungsweise 30 Euro wert. Und in den USA ist nicht umsonst die 100-Dollar-Note die höchste. Die Schweiz hat zwar noch den 1.000-Franken-Schein, aber auch sie diskutiert, ihn abzuschaffen.

Wenn ihn so wenige Leute kennen – über wie viele Scheine reden wir?

Es gibt 594 Millionen Stück, das sind nur 3,2 Prozent der Geldnoten. Und so manche davon bleiben wohl immer in einem kriminellen Kreislauf. Der Anteil am Gesamtwert des Bargelds, das im Umlauf ist, ist natürlich viel höher – er liegt bei ungefähr einem Drittel.

Wie soll die Abschaffung vor sich gehen?

Die Notenbanken haben noch Lagerbestände, die bis 2018 reichen, die werden sie nicht einfach so vernichten. Es dürfte also darauf hinauslaufen, dass der 500er ab 2018 nicht mehr gilt. Dann würde er in Geschäften nicht mehr angenommen werden und nach und nach aus dem Verkehr gezogen.

Rudolf Hickel

Foto: privat

74, Leiter für „Wirtschaft und Finanzen“ am Bremer Institut Arbeit und Wirtschaft.

Das ist viel Zeit, um die Noten zu wechseln. Wie will man so Geldwäsche bekämpfen?

Man macht sie nur für die Zukunft unpraktischer. Mein Vorschlag ist, dass die Notenbanken viel schneller alle 500-Euro-Scheine einziehen und gegen andere Stückelungen umtauschen. Aber nur, wenn die Besitzer nachweisen können, dass sie die Noten auf legalem Wege bekommen haben.

Prinzipiell eignet sich jedes Bargeld für kriminelle Geschäfte. Müssen wir damit rechnen, dass dies der erste Schritt ist, Bargeld generell abzuschaffen?

Da bin ich ganz strikt dagegen. Der Geldverkehr ist einer der letzten Bereiche, die noch nicht komplett durchdigitalisiert sind. Würde jede Zahlung elektronisch erfasst, wären die Menschen komplett gläsern: Wer kauft wann welche Medikamente, wer isst was? Ich bin ein großer Fan des Klingelbeutels in der Kirche, in dem ab und an auch mal ein Hosenknopf landen kann, statt elektronischer Spenden, bei denen die Kreditkarte durchgezogen wird. Das ist eine Frage von individueller Freiheit. Hinzu kommt: Die Abhängigkeit der Menschen vom Bankensystem wäre totalisiert. Bei einem Crash könnten sie sich und ihr Vermögen nicht schützen – bis auf das, was von der Einlagensicherung erfasst wird. Dass die Banken dafür sind, ist also klar. Zumal sie dann viel eher Negativzinsen durchsetzen, also am Geld der Sparer mehr verdienen können.