Immer nur mit einer Stimme

Susanne Heinrich feiert in ihrem Erzählband „In den Farben der Nacht“ viele kleine Feste der Poesie, wartet aber noch auf die große Liebe zur Sprache

In Susanne Heinrichs Debüterzählungen „In den Farben der Nacht“ merkt man schon den Namen der Figuren an, dass sie Stammhalter sind, Planstellen in einem literarischen Beziehungs-Börsenspiel aus jugendlicher Abgebrühtheit und unbedingt poetischem Gestaltungswillen. Natürlich werden die Roberts, Davids, Björns, Florians und Andrés und mit viel erzählerischer Energie beschrieben; wie sie eine Zigarette rauchen oder so einen bestimmten Blick haben. Doch sie verschwimmen dabei bald zu einem Reigen ewig fremd-vertrauter Männlichkeit, mal selbstzerstörerisch geliebt, mal austauschbar, wobei am Ende auch die Auslöser der Selbstzerstörung austauschbar werden.

Doch Heinrich will ohnehin keine Geschichten erzählen. Es gibt in der von ihr mit großer emotionaler Vehemenz und sprachlicher Insistenz entworfenen Welt keine abgeschlossenen Ereignisse, das Ende wird stets durch neue Anfänge markiert. Was so viel heißt wie: neue Männer. In einem Interview hat Heinrich selbst die Sexualität in ihrem Buch als Übersprungshandlung bezeichnet, und das beschreibt das Verhalten der Erzählerinnen treffend.

Deshalb ist die letztendliche Gleichförmigkeit der Figuren wohl auch Teil des poetischen Programms. Denn das Verwischen vor allem der männlichen unter ihnen ergibt sich keineswegs aus einem Mangel an Beschreibungsfähigkeit. Ganz im Gegenteil ist es gerade die bild- und metaphernreich beschworene Einzigartigkeit eines jeden Einzelnen, die als gemeinsamer Nenner haften bleibt. Dies und die Tatsache, dass man keinen von ihnen glücklich lieben kann. Denn natürlich geht es immer wieder, in allen Erzählungen, um die Unmöglichkeiten der Liebe, in allen Spielarten. Ob zu viel Liebe oder zu wenig, zu ungleiche Partner oder zu gleiche, immer bleibt ein Ungenügen, eine Suche nach mehr. Die Erzählerinnen schwanken zwischen mehreren Männern, aber wirklich ausreichend ist keiner.

So wie ihre Erzählerinnen mit den Männern, so geht Heinrich mit der Sprache um. Fasziniert von ihren Möglichkeiten wie ihren Eigenarten, arbeitet sie sich immer wieder an ihren Beschränkungen ab. Jeder Satz muss das Besondere in sich tragen, neutral gibt es nicht. Laufend werden neue Metaphern ausprobiert, keine Szene, die sich nicht in ein kleines Fest der Poesie verwandeln ließe. Da sind natürlich Nieten bei, und die große Liebe ist auch hier noch nicht gefunden, dafür huscht Heinrich noch viel zu flatterhaft über ihr Sprachmaterial, das sie darüber hinaus mit reichlich Zitaten aus Musik und Literatur auffüllt.

Bei jemandem, die wie Heinrich ihr Buch praktisch direkt aus dem Klassenzimmer der bekanntesten Schreibwerkstatt Deutschlands heraus entwickelt hat, wundern dann allerdings nicht nur die schiefen Bilder oder die sich neutralisierenden Metaphern (einmal ist die Morgensonne Quellwasser, im nächsten Absatz schon verbrennt sie die Nacht), sondern vor allem die schwerer wiegende Tatsache, dass die Autorin hier vierzehn verschiedene Ich-Erzählerinnen mit der exakt selben Stimme sprechen lässt. Man kann zwar auch darin den Willen erkennen, ein einzelnes Lebensgefühl, eine poetisch geprägte Weltsicht, an immer neuen Konstellationen auszuprobieren. Doch dann breitet sich die Austauschbarkeit, und damit auch die Belanglosigkeit, gefährlich weit auf das ganze Buch aus.

Wenn eines wie das andere ist, muss man weder über das eine noch über das andere etwas erfahren. Dabei möchte man durchaus gern mehr lesen von dieser begabten jungen Autorin.

SEBASTIAN DOMSCH

Susanne Heinrich: „In den Farben der Nacht“. DuMont, Köln 2005, 213 Seiten, gebunden, 19,90 €