Der Sitz der Götter

LEBEN Das Buch „Der Baum“ ist eine Biografie der besonderen Art

Die Biografie eines Baumes schreiben – was für eine schöne Idee! Der kanadische Zoologe David Suzuki, der für seine Verdienste um den Ozean- und Klimaschutz 2009 den Alternativen Nobelpreis bekam, hat sie zusammen mit dem Schriftsteller Wayne Grady umgesetzt. Ihr Buch, illustriert von dem Zeichner Robert Bateman, beschreibt das Leben einer rund 400 Jahre alten Douglasie.

„Sie begann mit ihrem Leben also etwa zur gleichen Zeit wie Shakespeare mit der Niederschrift von König Lear“, heißt es zu Beginn, und diesen staunenden Blick behält Naturschützer Suzuki bei. Ausführlich beschreibt er die fünf Lebensetappen des Nadelbaumes: wie sein Samen nach einem Waldbrand in der Asche keimte, wie er Wurzeln schlug, in die Höhe wuchs, Samenzapfen bildete und schließlich langsam stirbt. Ähnlich wie seine Wurzeln, Äste, Zweige und Nadeln entwickelt sich auch Suzukis Text mit Haupt- und Nebentrieben, Abzweigungen, Verästelungen und seltsamen Blüten. Ein vegetaphiles Werk, wenn man so will. Suzuki schildert, wie das Leben auf der Erde entstand, wie Sex unter Pflanzen funktioniert, was die ersten antiken Botaniker beobachteten, welche Tiere, Pflanzen und Pilze in, unter und auf der Douglasie leben. Und vor allem: wie die Gemeinschaft alles Lebendigen zusammenwirkt.

Das war wohl auch seine Hauptmotivation beim Schreiben. Bäume kommunizieren miteinander über die Luft und ihre Wurzeln, sie machen regelrechte Deals aus – schickst du mir Zucker, schicke ich dir Wasser – und helfen sich gegenseitig in einer Gemeinschaft des Überlebens. Ein Baum warnt etwa mit biochemischen Signalen seinen Nachbarkollegen, wenn er von Insekten angefressen wird. „Eine gesunde Pflanze ist eine effizient arbeitende biochemische Fabrik“, so der Autor. Ein faszinierendes Buch. UTE SCHEUB

David Suzuki, Wayne Grady: „Der Baum. Eine Biografie“. Aus dem Englischen von Eva Leipprand. Oekom Verlag, München 2012, 207 Seiten, 19,95 Euro