Geht's noch?
: Übel ist hier nicht nur einer

Bayer will Monsanto kaufen. Schlimm? Nun ja: Feindbilder sind eine gute Sache. Blöd nur, wenn sie einem die Sicht verstellen

Wie können die nur? Bayer, aus dem Rheinland (sympathisch), hilft gegen Kopfschmerzen, will Monsanto kaufen. Den bösesten Konzern der Welt! Der kommt aus den USA (abzulehnen) und ist groß geworden mit Agent Orange und Genpflanzen. Monsanto zwingt Bauern in Knebelverträge, setzt Regierungen mit dreisten Lobbyisten unter Druck und verseucht mit seinen Giften ganze Landstriche. Eine Schmuddelfirma, die sich niemand, der einen Rest von Anstand hat, ins Boot holt.

Gäbe es Monsanto nicht, es müsste glatt erfunden werden; für semi­kritische Verbraucher, die Pestizide und Genpflanzen irgendwie scheiße finden, aber bei den Begriffen Agrarsubvention oder europäische Landwirtschaftspolitik sofort in einen Dauertiefschlaf fallen. Denen alternative Agrar- und Umweltverbände klare Feindbilder einbläuen müssen, um sie für eine andere Politik zu mobilisieren, die die Machtverhältnisse, die Preisbildung und die Strukturen auf dem Land verändert.

Tja, und so ist das dann offenbar: Wenn man lange genug einem Plakat hinterherläuft, hält man das irgendwann für die Wirklichkeit. Tatsächlich aber führt Monsanto das Evil-Ranking gar nicht so einsam an. Bayer mit seiner gewinnträchtigen Agrarsparte verfolgt ein ähnliches Geschäft. Bietet hybrides Saatgut an, dass die Landwirte selbst nicht mehr vermehren können, stellt gentechnisch veränderte Pflanzen her und vor allem jede Menge Gifte.

Das Zeug von Bayer hat Bienenvölker ausgelöscht und rafft Insekten- und Wildpflanzenarten dahin. Unter anderem hiermit ist der Konzern so reich geworden, dass er angeblich 53 Milliarden Dollar für den kleineren US-Konkurrenten zahlen kann. Sein politischer Einfluss ist legendär: Passt ihm ein neues Gesetz aus Brüssel nicht – zum Beispiel eines, dass Chemikalien verbietet, die den Hormonhaushalt stören –, dann schreibt der Konzernchef einfach ein Briefchen an die zuständige Generaldirektion der EU-Kommission, und schwuppdiwupp ist das Gesetz vom Tisch.

In der politischen Auseinandersetzung sind Feindbilder ja durchaus eine feine Sache, an ihnen lassen sich komplexe Geschichten einfach erzählen, und sie schaffen Emotionen. Blöd nur, wenn sie einem die Sicht auf den Acker verstellen. HEIKE HolDINGHAUSEN