Ups, eine Staatsaffäre

SKANDAL In Hamburg trägt bald sogar der Flughafen den Namen des Altkanzlers Helmut Schmidt. In Hannover zögert die SPD, eine Straße nach ihm zu benennen

„Ruhig Blut, jetzt kommt mal wieder runter“: So versucht Lars Kehlich, stellvertretender Vorsitzender der Hannoverschen SPD-Ratsfraktion, jetzt die Öffentlichkeit zu beruhigen. Grund für den Eklat ist das Zögern der Sozialdemokraten, die Hindenburgstraße in „Helmut-Schmidt-Straße“ umzubenennen. Dies fordert der Besucher einer Podiumsdiskussion der SPD am Montag.

Bereits im Oktober vergangenen Jahres befand eine Expertenkommission, Paul von Hindenburg sei wegen Mitwirkung an Adolf Hitlers Machtergreifung als Namensgeber für die Straße ungeeignet. SPD-Bezirksbürgermeister Lothar Pollähme entgegnet der Forderung aber, dass vor einer Umbenennung zunächst Helmut Schmidts Rolle als NS-Wehrmachtsoffizier im zweiten Weltkrieg zu prüfen sei.

Und schon ist da eine „mittlere Staatsaffäre“, wie es SPD-Mann Kehlich ausdrückt. Denn Helmut Schmidt, den großen Parteihelden und erklärtes Vorbild vieler namhafter Politiker, infrage zu stellen – das geht natürlich gar nicht.

„In dieser Weise darf man nicht mit dem Andenken von Helmut Schmidt umgehen“, entrüstet sich Altkanzler Gerhard Schröder gegenüber der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung. Er sehe keinen Anlass, an der Integrität des „großen Staatsmannes“ zu zweifeln. Auch die Hamburger SPD zeigt sich entsetzt über die Forderung nach einer Vergangenheitsüberprüfung: „Solche Aussagen sind einfach nur armselig“, sagt Mathias Petersen, Vorstandsmitglied der Hamburger Sozialdemokraten, der Bild-Zeitung.

Der Hannoverschen SPD ist es sichtlich peinlich, bei ihren Bundesgenossen in Verruf geraten zu sein. Sie versucht jetzt zurückzurudern und klärt auf: Es sei in Hannover gang und gäbe, vor der Benennung öffentlicher Plätze und Straßen zunächst die Vergangenheit der namensgebenden Persönlichkeit zu untersuchen, wiegelt SPD-Ratsherr Kehlich die Debatte ab: „Nur wegen großer Verdienste für das Land gibt es keinen Freifahrtschein. Gleiches Recht für alle.“ Da sei sich die SPD der Landeshauptstadt auch einig. „Dieses Thema wurde medial aufgebauscht. Wir würden uns über eine Helmut-Schmidt-Straße sehr freuen“, erklärt Kehlich.

Doch für eine Richtigstellung ist es schon zu spät. Auch Hannovers CDU hat schon Profit aus der Misere der Sozialdemokraten geschlagen: „Die ganze Diskussion macht mich fassungslos“, sagt Hannovers CDU-Chef Dirk Toepffer gegenüber der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung. In den sozialen Netzwerken empören sich die Nutzer über den Umgang mit dem Altkanzler: „Peinlich und beschämend!“ oder: „Aber vertrauenswürdig genug, um Kanzler zu sein!“, heißt es in den Facebook-Kommentarspalten.

Vielleicht lernt Genosse Pollähme ja etwas fürs nächste Mal: Seine öffentliche Performance ist jedenfalls ausbaufähig. ANTONIA STILLE