heute in Bremen
: „Eine große Lücke“

VORTRAG Jörg Wollenberg spricht über die Spuren von Bremern im Spanischen Bürgerkrieg

Jörg Wollenberg

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79, Historiker, hat an der Uni Bremen Weiterbildung mit dem Schwerpunkt politische Bildung gelehrt.

taz: Herr Wollenberg, aus welchen Beweggründen sind Bremer Kommunisten 1936 als Kämpfer nach Spanien gereist?

Jörg Wollenberg: Ziel war, die Machtergreifung des Franco-Faschismus zu verhindern. Wir finden dort aber nicht nur Kommunisten, sondern auch Sozialisten und Republikaner. Man neigt heute oft dazu, den Kampf gegen Franco als einen kommunistischen Kampf zu sehen. Aber der Aufruf ging an alle: „Sie kommen nicht durch!“ Auch prominente Journalisten, die keine Kommunisten waren, haben damals unterschrieben. Der Spanische Bürgerkrieg war ein erster Versuch Gesamteuropas, den aufkommenden Faschismus mit der Waffe abzuwenden.

Hannes Koschnick, Vater von Hans Koschnick, war als Widerstandskämpfer in Bremen inhaftiert. Was war seine Verbindung zum Kampf in Spanien?

Hannes Koschnick gehörte zu den KPD-Mitgliedern, die mit dem Vater von Jens Böhrnsen, Gustav Böhrnsen, Flugblätter gegen die Legion Condor verteilten – jene Fliegerstaffel der Nazis, die Guernica dem Erdboden gleichgemacht hat. Die Flugzeuge wurden unter anderem von der Bremer Firma Focke-Wulf hergestellt. Auch im Zuchthaus bekam man offensichtlich mit, dass in Spanien ein Putsch von Rechts stattfindet und Hitler diesen Putsch unterstützte.

Viele Kommunisten sind vor den eigenen Genossen nach Spanien geflohen.

Das betrifft die Kommunisten, die vor Hitler nach Moskau flohen und in der Emigration ab 1936 mit den sogenannten Säuberungen konfrontiert wurden – etwa Carl Preissner, ein Kunstschlosser aus Bremen. Der wusste, wenn er nicht die Genehmigung kriegt, als Freiwilliger in den Bürgerkrieg zu ziehen, wäre er als Trotzkist verhaftet und umgebracht worden.

Ist die Geschichte des Widerstands in Spanien inzwischen ausreichend dokumentiert?

Es gibt eine große Lücke. Die wenigsten wissen, dass die größte Fraktion neben den Sozialisten und Kommunisten die Anarchosyndikalisten waren. Eine Arbeiterbewegung, die auf Basisdemokratie und auf Kollektivierung statt Verstaatlichung setzte. Sie wurden von internationalen Beobachtern wie Willy Brandt und Heinz Schramm für die von ihnen verwirklichte Bildungsreform bewundert. Was damals an Frauenrechten und Kulturprogrammen durchgesetzt wurde, ist beeindruckend. Aber letzten Endes scheiterte die Republik an den zunehmenden Konflikten zwischen den die Republik tragenden Gruppen.

Interview: Benjamin Moldenhauer

20 Uhr, Villa Ichon