Christliche PR in einer muslimischen Umgebung

Armenien Eine religiös-politische Manifestation: Papst Franziskus besucht Armenien und wird im ganzen Land begeistert gefeiert

Eine christliche Begegnung, in der äußerliche Unterschiede keine Rolle spielten Foto: Alessandro Bianchi/reuters

Von Tigran Petrosyan

BERLIN taz | „Gott segne eure Zukunft und gewähre, dass der Weg der Versöhnung zwischen dem armenischen und dem türkischen Volk wiederaufgenommen werde und Frieden auch in Berg-Karabach entstehen möge“, sagte Papst Franziskus am Samstag in der armenischen Hauptstadt Eriwan. Von Freitag bis Sonntag besuchte der Pontifex die Südkaukasusrepublik. Es war der zweite Besuch eines Oberhauptes der katholischen Kirche seit der Unabhängigkeit Armeniens 1991.

Das Thema Völkermord an den Armeniern im Jahre 1915 im Osmanischen Reich war einer der wichtigsten Aspekte der Reise. Am Samstag besuchte Franziskus das Genozidmahnmal in Eriwan. „Diese Tragödie, dieser Genozid, hat leider die traurige Liste der entsetzlichen Katastrophen des vergangenen Jahrhunderts eröffnet“, sagte er. 2015 hatte Franziskus aus Anlass des 100. Jahrestages des Genozids eine Messe im Petersdom gefeiert und dabei vom „ersten Völkermord des 20. Jahrhunderts“ gesprochen.

„Obwohl der Papst und der Vatikan den Völkermord offiziell anerkannt haben, fordert Franziskus das auch von anderen Staaten. Ein Grund dafür ist: Die Anerkennung des Völkermords schließt eine Wiederholung solcher Gräueltaten aus“, sagt Stepan Danieljan, Chef des Zentrums „Zusammenarbeit für Demokratie“ in Eriwan und Chefredakteur des Portals ­religions.am.

„Das erste christliche Land Armenien, wie es der Papst selbst definiert, ist im Westen von der sunnitischen Türkei, im Osten von schiitischen Aserbaidschan umgeben und damit isoliert. Die Papstreise nach Armenien könnte man auch als indirekte Warnung vor allem an die muslimischen Nachbarn interpretieren“, so Danieljan. Er befürchtet, dass bei einer erneuten Eskalation des Karabachkonfliktes dessen religiöser Aspekt stärker zum Tragen kommen könnte. Das religiöse Oberhaupt Aserbaidschans, Allahschükür Paschazade, habe diesen Aspekt betont und mehrmals von einem religiös-heiligen Krieg in Karabach gesprochen.

Seit 2012 sind 20.000 armenische Syrer nach Armenien geflohen

Der Papstbesuch sei eine große Unterstützung für Armenien auf der internationalen Bühne, glaubt Danieljan. „Das war politische PR für das kleine christliche Land in einer muslimisch geprägten Region.“ Der Papst feierte Messen in Eriwan, der katholisch geprägten zweitgrößten Stadt Gjumri sowie in Etschmiadsin, wo sich das Pa­triarchat der Armenischen Apostolischen Kirche befindet. Die Armenier empfingen den Papst überall mit enormer Begeisterung. „Das hat nichts mit Glauben oder Religiosität zu tun“, erklärt Danieljan. „Die Armenier sind ein Teil der christlichen Zivilisation. Zu Sowjetzeiten gab es nur eine Religion, den Atheismus. In den 25 Jahren Unabhängigkeit haben die Armenier jedoch wieder begonnen, sich stark mit dem Christentum zu identifizieren“, sagt Danieljan.

Dafür gebe es noch andere Gründe wie die Konflikte mit der Türkei und Aserbaidschan, die Verfolgung christlicher Armenier sowie die Zerstörung armenischer Kirchen und des christlichen Erbes in Syrien. Seit 2012 sind 20.000 armenische Syrer nach Armenien geflohen, 16.000 davon leben derzeit in der Kaukasusrepublik.

Den Besuch des Papstes versuchten auch Oppositionelle zu nutzen, um ihre Stimme zu erheben. Sechs Aktivisten wurden festgenommen, die Protest­aktio­nen gegen die Regierung von Sersch Sargsjan geplant haben sollen. Während des Friedensgebetes am Platz der Republik in Eriwan nahmen Polizisten einer Demonstrantin ein Plakat weg. Darauf stand: „Freiheit für die politischen Gefangenen in Armenien“.