Jobs für Flüchtlinge: Erst ausbilden, dann abschieben

Diakonie qualifiziert Flüchtlinge zu dringend gesuchten Pflegehelfern – doch die Ausländerbehörde gibt nicht jedem eine Arbeitserlaubnis.

Zwei Hände halten einen Becher

Der Bedarf an Pflegekräften ist schon jetzt hoch – und wird perspektivisch weiter steigen Foto: dpa

Jeder kennt den ekla­tan­ten Mangel an Pfle­ge­fach­kräf­ten. Und jeder weiß: In Flücht­lings­heimen sit­zen Tau­sen­de Men­schen, die Arbeit suchen. Warum also nicht Asylbewerber zu Pflegehilfskräften qualifizieren, dach­te sich Karl-Mar­tin See­berg, Ge­schäfts­füh­rer des Dia­ko­nie-Pfle­ge Ver­bund Berlin, als An­ge­la Mer­kel im Sommer 2015 mit ihrem „Wir schaf­fen das“ zu So­li­da­ri­tät und un­kon­ven­tio­nel­len Lö­sun­gen auf­rief.

Am Don­ners­tag haben nun die ers­ten zehn Flücht­lin­ge in Ber­lin von der Dia­ko­nie ihre Pfle­ge­hel­fer­zer­ti­fi­kate über­reicht be­kom­men. 720 Stun­den Qua­li­fi­zie­rung hat See­berg für sie or­ga­ni­siert, finanziert aus Spen­den. Die zehn Männer und Frauen, die etwa aus Armenien, Syrien und Mali kommen, haben Prak­ti­ka ge­macht, Deutsch ge­lernt und das Rad­fah­ren, um zu den Pa­ti­en­tIn­nen fah­ren zu kön­nen. Alle sollten bei der Dia­ko­nie angestellt werden. Vier haben schon Ar­beits­ver­träge, zu Gehältern, von denen sie leben können, sagt Seeberg. Bei vier sei man dabei, die nötigen Genehmigungen von Arbeitsamt und Ausländerbehörde zu bekommen.

In zwei Fäl­len hat die Aus­län­der­be­hör­de die Ar­beits­er­laub­nis aber verweigert. Es geht um zwei Frau­en aus soge­nann­ten si­che­ren Her­kunfts­län­dern, eine aus Al­ba­ni­en, eine aus dem Ko­so­vo. Ihre Asyl­an­trä­ge wur­den kürz­lich ab­ge­lehnt. An diese Entscheidung des Bundesamts für Migration sei man ge­bun­den, er­klärt ein Sprecher der Se­nats­innenverwaltung der taz. Die Aus­rei­se­pflicht müsse durch­ge­setzt wer­den, wenn keine frei­wil­li­ge Aus­rei­se er­fol­ge.

500.000 Euro Strafe

Die Behörde habe sehr wohl Spielraum, widerspricht Boume­di­en Ha­bi­bes, Ju­rist und Flücht­lings­be­ra­ter bei der Dia­ko­nie Stadt­mit­te. Sie könne auch abgelehnten Asylbewerbern Duldung und Arbeitserlaubnis geben, etwa aus „erheblichem öffentlichen Interesse“. Dass dies angesichts des Pflegenotstands vorhanden sei, liege auf der Hand. Zumal, ergänzt Seeberg, beide Frauen hoch motiviert seien, „hervorragende Prüfungen mit besten Praxisbeurteilungen“ abgelegt hätten und fließend Deutsch sprächen.

„Wir suchen händeringend nach Personal“, betont der Geschäftsführer des Diakonie-Pflege Verbund Berlin, der mit 900 MitarbeiterInnen rund 2.000 Menschen in Berlin pflegt. „Auf jeder Pflegestation gibt es unbesetzte Stellen.“ Die Weigerung der Ausländerbehörde, den qualifizierten Flüchtlingen eine Arbeitserlaubnis zu erteilen, sei mit Blick auf das öffentliche Interesse sogar „fahrlässig“, findet Seeberg. Er hofft nun, dass sich die Härtefallkommission des Landes der beiden Fälle annimmt.

Besonders ärgert Seeberg, dass die Ausländerbehörde ihm ein Buß­geld von 500.000 Euro androht, wenn er die bei­den Frau­en trotzdem ein­stel­lt. Gegenüber der taz begründet das die Innenverwaltung ebenfalls mit gesetzlichen Vorschriften zu „illegaler Beschäftigung“.

Beschwerden von Arbeitgebern, dass die Ausländerbehörde die – von Politik und Wirtschaft geforderte – Anstellung von Flüchtlingen verhindere, gibt es in letzter Zeit oft. Ende April klagten der Paritätische anlässlich der Bilanz eines Projekts zur Vermittlung von Flüchtlingen an Berliner Betriebe, seine Bemühungen scheiterten häufig an der verweigerten Arbeitserlaubnis.

Seeberg lässt sich davon nicht abschrecken. Im Herbst soll der nächste Kurs „Flüchtlinge zu PflegehelferInnen“ starten, erzählt er. „Wir haben genug Spenden bekommen.“

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