„Es fehlt an einem praktischen Konzept“

Nachwuchs Auch QuereinsteigerInnen werden im Schuldienst umworben – das Fazit ist gemischt

Vanessa Skoruppa

Foto: Dirk Richard Heidinger

28, ist Referendarin an der Hans-Fallada-Schule in Neukölln. Sie ist die Vorsitzende des Personalrats der LehramtsanwärterInnen.

taz: Frau Sko­rup­pa, der Lehr­er­man­gel ist ein Dau­er­the­ma in Ber­lin. Des­halb sitzen immer mehr QuereinsteigerInnen in den Re­fe­ren­da­ri­ats-Seminaren, die gar kein Lehr­amts­stu­di­um absolviert hatten. Was be­rich­ten Ihre Kom­mi­li­to­nIn­nen: Geht das ei­gent­lich gut?

Va­nes­sa Sko­rup­pa: Geht so. Es ist ja grund­sätz­lich erst mal keine schlech­te Idee, die Schu­le für Leute mit einem an­de­ren be­ruf­li­chen Hin­ter­grund zu öff­nen. Das kann auch be­rei­chernd sein. Aber es fehlt ein­fach an einem Kon­zept, wie man der Quer­ein­stei­ger-Idee in der Aus­bil­dung prak­tisch be­geg­nen will.

Was mei­nen Sie damit?

Nicht jeder Se­mi­nar­lei­ter schafft es, auf das sehr un­ter­schied­li­che Vor­wis­sen gut ein­zu­ge­hen. Da sit­zen jetzt plötzlich Leute in den Se­mi­na­ren, die mit Päd­ago­gik vor­her nichts am Hut hat­ten und zum Bei­spiel noch mal wis­sen wol­len, wie man Kin­dern ei­gent­lich Lesen und Schrei­ben bei­bringt. Was ja ver­ständ­lich ist, im­mer­hin müs­sen die Quer­ein­stei­ger gleich selb­ststän­dig vor der Klas­se ste­hen, teil­wei­se sogar als Klas­sen­leh­rer.

Das An­ge­bot des „be­rufs­be­glei­ten­den Re­fe­ren­da­ri­ats“, bei dem man schon zu Aus­bil­dungs­be­ginn 19 Wo­chen­stun­den selb­ststän­dig un­ter­rich­tet, gilt in­zwi­schen auch für die re­gu­lä­ren Lehrämt­le­rIn­nen …

Die Bil­dungs­ver­wal­tung hat eben alle verfügbaren Register gezogen, um den Lehr­er­man­gel zu de­cken. Na­tür­lich sollte jeder selbst ent­schei­den, ob er dieses An­ge­bot gut fin­det, man wird ja nicht dazu ge­zwun­gen. Andererseits wird da auch eine Aus­bil­dungs­si­tua­ti­on in eine Ar­beits­si­tua­ti­on um­ge­wan­delt – nur, um mehr Stun­den in die Schu­len zu geben. Das ist kein gutes Si­gnal.

Was ist mit den Men­to­rIn­nen, die Quer­ein­stei­ge­rIn­nen zur Seite ge­stellt be­kom­men?

Das ist grund­sätz­lich gut. Umso un­ver­ständ­li­cher ist es, dass die re­gu­lä­ren Re­fe­ren­da­re diese Men­to­ren­stun­den nicht erhalten. Und wenn doch, dann be­treu­en einen die Leh­rer frei­wil­lig, wie das auch bei mir der Fall ist. Das hat aber auch zur Folge, dass man sich stän­dig als Bitt­stel­le­rin fühlt. Es wäre schön, wenn die De­bat­te über den Lehr­er­man­gel end­lich auch eine grund­sätz­li­che De­bat­te über die Aus­bil­dungs­be­din­gun­gen in Ber­lin nach sich zie­hen würde. Im Mo­ment hat man das Ge­fühl: Die Dring­lich­keit, mit der man be­son­ders uns Grund­schul­leh­rer braucht, und die Qua­li­tät, die man in un­se­re Aus­bil­dung in­ves­tiert, ste­hen in einem ziem­li­chen Miss­ver­hält­nis.

Anna Klöpper