Dresdner Brückenzoff hält an

Prozess Die Waldschlösschenbrücke wird seit Jahren benutzt. Doch vor Gericht streiten Naturschützer weiter um die Rechtmäßigkeit des hoch umstrittenen Bauwerks

Von unten, von oben, egal: Als besonders elegant ist die Brücke nicht bekannt Foto: Arno Burgi/dpa

Von Michael Bartsch

DRESDEN taz | Seit knapp drei Jahren fahren Autos und Fahrräder über die teuerste und ökologisch umstrittenste Stadtbrücke Deutschlands. Dresden verlor wegen der Waldschlösschenbrücke sogar den Unesco-Welterbetitel für die Flusslandschaft. Und der Sieg, den Ende August 2013 Konservative und Verfechter der oberirdischen Elbquerung über Naturschützer feierten, steht seit Mittwoch vor dem Bundesverwaltungsgericht noch einmal infrage. Der neunte Senat muss über eine bis in das Jahr 2004 zurückreichende Klage gegen den Planfeststellungsbeschluss entscheiden. Kläger ist der Naturschutzverband Grüne Liga.

Das seit rund einem Jahrhundert erwogene und seit 1995 konsequenter verfolgte Brückenprojekt war von zahlreichen Rechtsstreitigkeiten begleitet. Stellvertretend für Naturschutzbelange erreichte die Kleine Hufeisennase, eine bedrohte Fledermausart, bundesweite Bekanntheit. Ihre Entdeckung hatte 2007 den Brückenbau zeitweise gestoppt.

2004 wurde zwar Baurecht für die Brücke erteilt. Nach der Zustimmung von zwei Dritteln der teilnehmenden Dresdner bei einem Bürgerentscheid begannen 2007 die Bauarbeiten. Doch 2008 klagten die Grüne Liga, der BUND und der Nabu beim Dresdner Verwaltungsgericht. Der Marsch der Naturschutzverbände durch die Instanzen schien zunächst vergeblich.

2014 aber äußerte das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Planfeststellungsbeschlusses und bat den Europäischen Gerichtshof um Hilfe. Die Richter in Luxemburg stellten im Januar dieses Jahres allgemein fest, dass europäische Naturschutzvorgaben bei der Planung berücksichtigt werden müssen. Das gilt zum Beispiel auch rückwirkend für die Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie.

Damit tritt eine komplizierte Situation ein. Denn im Jahr 2004 war das Baufeld noch ein Gebiet ohne besondere Auflagen, bevor es sieben Monate vor Baubeginn 2007 zum Naturschutzgebiet nach EU-Recht erklärt wurde.

Damit müsste eine Umweltverträglichkeitsprüfung zumindest nachgeholt werden. Schon vor Verhandlungsbeginn am Mittwoch wurde deshalb erwartet, dass der Planfeststellungsbeschluss von 2004 für rechtswidrig erklärt wird.

„Der Waldschlösschenbrücke droht der Abriss“, titelte die Tageszeitung Die Welt und spekulierte über Kosten und Folgen einer solchen Aktion. Einem Aufruf der FDP waren am Dienstagabend bereits etwa 40 Anhänger gefolgt, um die Brücke mit einer Menschenkette an einem Pfeiler zu verteidigen.

Die „Kleine Hufeisennase“ erlangte im Brückenstreit bundesweite Bekanntheit

Nach dem Verhandlungsauftakt am Mittwoch ist klar: So weit wird es erst mal nicht kommen. Am Freitag will das Bundesverwaltungsgericht entweder ein Urteil verkünden oder den Fall an das sächsische Oberverwaltungsgericht in Bautzen zurückverweisen. Absehbar muss die Landesdirektion Sachsen als Mittelbehörde in Umwelt- und Naturschutzbelangen nacharbeiten.

Der Senatsvorsitzende Wolfgang Bier stellte aber schon klar, dass eine Sperrung der Waldschlösschenbrücke nicht zu erwarten ist. Der Richter bedauerte zugleich, dass die Grüne Liga als Kläger einen von ihm angeregten Vergleich abgelehnt hatte. Der Anwalt des Freistaates Sachsen betonte, dass sich am Status der Brücke nichts ändern werde und auch keine weiteren Ausgleichsmaßnahmen zu erwarten seien. Die juristischen Auseinandersetzungen dürften am Freitag nicht endgültig beendet sein, da auch eine weitere Anfrage beim Europäischen Gerichtshof im Raum steht.

Die umkämpfte Brücke wird zwar von Autofahrern genutzt. Aber auch dabei gibt es Probleme – mit der Beleuchtung und einem welligen Fahrbahnbelag. Trotzdem wird sie wohl stehen bleiben. Der „Verein zum Wiederabriss der Waldschlösschenbrücke“, vom Orgelbauer Christian Wegscheider vor mehr als zehn Jahren gegründet, wird also sein Ziel erst einmal nicht erreichen.