TTIP-Tagebuch aus Brüssel: Sie kommen mit Pfannen

Draußen lärmt die Anti-TTIP-Bewegung. Drinnen sind sich die Verhandler noch uneins. Vielleicht hilft das Freihandel-Speed-Dating weiter.

Protestler, darunter ein Mann mit einem Plakat mit einem durchgestrichenen TTIP

Spätestens jetzt sind die Verhandler wach: die Anti-TTIP-Protestler Foto: dpa

BRÜSSEL taz/correctiv | Mit Pfannen, Töpfen und Deckeln sind sie morgens gekommen, um ordentlich Lärm bei den TTIP-Verhandlungen zu machen. Mehrere hundert Bürger klopfen vor dem Brüsseler Konferenzzentrum, in dem etwa hundert Verhandler der USA und der EU zusammensitzen, unüberhörbar auf ihre Töpfe. Sie fordern den sofortigen Abbruch der Freihandelspläne zwischen der EU und den USA. Zum Schluss singen sie den Song of Angry Men aus dem Musical „Les Miserables“. Starker Auftritt. Falls ein Verhandler noch müde am Tisch saß, ist er spätestens jetzt wach.

Das Gebäude ist gut gesichert. Polizisten stehen vor der Tür. Rein kommt nur, wer einen Hausausweis hat. Und dort gibt es noch eine Sicherheitsschleuse. „Sind Sie Verhandler?“ fragt mich ein Sicherheitsmann. Nur dann könne ich rein. TTIP, das sind eben echte Geheimverhandlungen. Drinnen sitzen seit gestern morgen die Arbeitsgruppen zusammen, von jeder Seite mal vier, mal zehn Verhandler pro Thema.

Bis Freitag müssen sie Ergebnisse vorzeigen. Denn diese Runde steht unter besonderer Beobachtung. Wenn sich beide Seiten bei den Streitthemen nicht näher kommen, gibt es kaum noch eine Chance, bis Ende des Jahres fertig zu werden. Und das wollen sowohl die EU als auch die USA. Denn nach den US-Wahlen werden die Karten neu gemischt, 2017 stehen zudem Wahlen in Frankreich und Deutschland an.

Etwas offener als der Verhandlungsort ist das Europäische Parlament. Ein kurzes Interview mit Sven Giegold von den GRÜNEN in seinem Parlamentsbüro. „Wir brauchen einen Neustart,“ sagt Giegold. Er ist durchaus offen für ein Abkommen über technische Standards. „Aber gesellschaftliche Standards gehören nicht in ein Freihandelsabkommen.“ Keine Schiedsgerichte, keine gemeinsame Abstimmung von Gesetzen.

Und morgen: ein TTIP-Speed-Dating

Aber ist es realistisch, nochmal neu anzufangen? „TTIP ist politisch so vergiftet, dass wir da nicht weiter kommen werden,“ so Giegold. Deshalb sei ein neuer Aufschlag denkbar. Gegen ein Abkommen, in dem nur über technische Standards und Zölle verhandelt wird, würde die Bevölkerung nicht auf die Strasse gehen, ist er überzeugt.

Gegenprobe bei dem konservativen Abgeordneten Christoph Fjellner aus Schweden. Sowohl die Bevölkerung in Schweden, als auch die Gewerkschaften sind für TTIP. Auch er ist ein TTIP-Fan und versteht überhaupt nicht, warum ein Land wie Deutschland, das so exportorientiert ist, gegen die Freihandelspläne sein kann. „Wir in Schweden wissen, dass wir von mehr Freihandel profitieren.“

Fjellner sieht aber die Gefahr, dass es am Ende an den Verhandlern scheitern könnte. „Wenn die jetzt keinen Durchbruch erzielen, wird es TTIP so ergehen wie den WTO-Verhandlungen: eine unendliche Geschichte ohne Hoffnung auf eine Einigung. „Mit solchen Abkommen ist es so ähnlich wie mit der Astrologie: Es gibt Momente, die man nutzen muss. Jetzt ist so ein Moment, um sich einig zu werden. Danach wird es unwahrscheinlich.“

Da wagt sich kaum jemand aus der Deckung

Was sagen eigentlich die deutschen Parlamentarier im EU-Parlament, die für TTIP sind? Von den Linken, den Grünen und der SPD ist immer schnell ein Interview zu bekommen. Bei den Konservativen ist das etwas komplizierter. Anfragen bleiben unbeantwortet oder es kommt die Antwort: Keine Zeit. Da wagt sich zur Zeit kaum jemand aus der Deckung.

Am Mittwochvormittag dürfen Lobbyvertreter von der Wirtschaft bis zum Umweltverband bei den Verhandlern vorsprechen. Eine Art Speed Dating. Jede Gruppe hat fünf Minuten Zeit, ihren Standpunkt zu äußern. Dieses Format hat schon Tradition. Ob die Verhandler darauf wirklich eingehen? Wir werden dabei sein.

Den ganzen Liveblog mit Interviews und Bildern kann man auf correctiv.org verfolgen.

Der Autor ist Redakteur des Recherchezentrums correctiv.org. Die Redaktion finanziert sich ausschließlich über Spenden und Mitgliedsbeiträge. Ihr Anspruch: In monatelanger Recherche Missstände aufdecken und unvoreingenommen darüber berichten. Wenn Sie CORRECTIV unterstützen möchten, werden Sie Fördermitglied. Informationen finden Sie unter correctiv.org.

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