Zehn Jahre für Afrika

Die EU-Kommission entwirft eine Afrika-Strategie. Sie soll eine neue Partnerschaft mit dem Nachbarkontinent begründen

AUS BRÜSSEL FRANÇOIS MISSER

Nachdem alle bisherigen Entwicklungsstrategien für Afrika gescheitert sind, hat die EU-Kommission gestern eine „Strategie der EU für Afrika“ vorgestellt, die eine neue Partnerschaft zwischen Europa und Afrika begründen soll. Es geschah unter dem Eindruck der dramatischen Odyssee tausender afrikanischer Migranten in Marokko auf dem Weg nach Europa, dass die Kommission der Afrikanischen Union (AU) zur EU nach Brüssel reiste, um über eine eigentlich längst geplante engere Zusammenarbeit zu beraten. Vertreter beider Kommissionen betonten gestern vor der Presse das „Gebot der Nachbarschaft“: Nur gemeinsam könne man solchen Situationen in Zukunft begegnen.

Immerhin hat nun jeder EU-Kommissar seinen direkten AU-Amtskollegen kennen gelernt, und daraus sollen „horizontale Partnerschaften“ in allen Bereichen entstehen. Die europäisch-afrikanische Gemeinsamkeit hat allerdings ihre Grenzen. Viele der afrikanischen Migranten kämen aus ländlichen Gegenden, deren lokale Agrarwirtschaft durch subventionierte EU-Exporte zerstört worden sei, kritisierte AU-Kommissionspräsident Alpha Oumar Konaré gestern – er kommt aus Mali, einem wichtigen Herkunftsland von Migranten in Marokko. Migranten seien keine Verbrecher, sagte er, sondern „die Reflexion einer Notwendigkeit von Solidarität“. Nur harte Worte hatte Konaré übrig für die in verschiedenen EU-Ländern ventilierte Alternative, Europa könne begrenzte Zuwandererkontingente aus Afrika nach dem Maßstab der eigenen Bedürfnisse zulassen: Dies bedeutete „geistige Ausplünderung“, weil Europa Afrika damit Fachkräfte wegnähme.

Die neue Strategie der EU-Kommission gibt auf diese Vorwürfe keine Antwort, aber sie beinhaltet mehrere Aktionsstränge – über einen Zeitraum von zehn Jahren. Die Entwicklungshilfe soll sich bis 2015 verdoppeln. Von dem Zuwachs soll die Hälfte nach Afrika gehen. Bereits bis 2010 wächst die EU-Hilfe für Afrika von 17 auf 23 Milliarden Dollar. Schwerpunkte: der Ausbau von Straßen- und Schienennetzen sowie Wasser- und Energieversorgung und die Förderung der Bildungs- und Gesundheitssysteme. Während bisher 80 Prozent der EU-Hilfe für Afrika in Entwicklungsprojekte fließt und nur 20 Prozent als Budgethilfe direkt an die afrikanischen Staaten geht, soll sich dieses Verhältnis auf 50:50 verändern, so EU-Entwicklungskommissar Louis Michel. Daran gekoppelt sind Mechanismen, um die Qualität der Regierungsführung zu überprüfen.

Dazu plant die EU-Kommission mehr europäisch-afrikanische Partnerschaften auf der Ebene von Parlamenten, Gemeinden, Schulen, Universitäten und Unternehmen. Das Erasmus-Programm zum Studentenaustausch zwischen EU-Ländern könnte auf Afrika ausgedehnt werden – unter dem Namen „Erasmus-Nyerere-Programm“. Und ein europäisches „Peace Corps“ aus freiwilligen Helfern nach US-Muster soll entstehen.

Man habe diesmal die afrikanischen Partner konsultiert, wehrt sich Michel gegen Vorwürfe, die „Strategie“ biete nicht viel Neues. Die Ausgestaltung der Hilfe soll in Zukunft partnerschaftlich beschlossen werden, nicht einseitig. Von EU-Seite wurde allerdings auch gewarnt, dass die neuen Pläne erst durch die Instanzen müssen – den EU-Ministerrat und das Europaparlament.

Zündstoff bieten die Pläne reichlich. Ein Streitpunkt ist der Ansatz, Projektgelder in Budgethilfe umzulenken. Im Europaparlament wird kritisiert: Wie soll das mit Weltmeistern der Korruption wie Nigeria, Kamerun oder Angola gehen? Die Debatte ist eröffnet.