„Es gibt mehr Geld, und das ist sehr wichtig“

EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso meint, Rückführungsabkommen für Flüchtlinge seien „auch eine Form der Partnerschaft“

taz: Herr Barroso, das Drama der afrikanischen Migranten in Marokko überschattet den EU-Gipfel mit der Afrikanischen Union (AU). Wie wollen die EU und die AU in der Migrationspolitik zusammenarbeiten?

José Manuel Barroso: Die tragischen Ereignisse von Ceuta und Melilla zeigen zwei sehr wichtige Dinge. Zum einen darf man keine künstliche Trennung zwischen den beiden Teilen Afrikas vornehmen. Afrika südlich der Sahara findet sich im Maghreb wieder, in der Form von Menschen, die tausende von Kilometern zurückgelegt haben und ihr Leben riskieren, um nach Europa zu kommen. Zum Zweiten zeigt sich die Notwendigkeit einer besser strukturierten Entwicklungshilfe. Man kann Sicherheitsmaßnahmen treffen, um die Migrantenströme zu kontrollieren – wir haben Rückführungsabkommen mit den Herkunftsländern, und das ist auch eine Form der Partnerschaft. Aber eine wirkliche Lösung gibt es nur, wenn wir zusammen die strukturellen Ursachen der illegalen Migration angehen: Armut, Analphabetismus, endemische Krankheiten, die Situationen bestimmter Länder. Es ist sehr wichtig, dass Europa und Afrika sich die Hand reichen. Wir überlegen, wie wir unseren Dialog verstärken und die konkreten Probleme lösen können.

Und was haben Sie jetzt vereinbart?

Europa hat die Verdoppelung seiner Entwicklungshilfe bis 2010 angekündigt, um die UN-Millenniumsziele zur Halbierung der Armut bis 2015 zu erreichen, und die Hälfte der Hilfe wird nach Afrika gehen. Die Frage ist, was dies praktisch bedeutet. Da haben wir mehrere konkrete Ziele: Große Infrastrukturprojekte, damit Afrika von der Liberalisierung des Welthandels profitieren kann – und der Welthandel darf nicht nur liberalisiert werden, Afrika muss dazu auch Zugang bekommen. Afrikanische Produkte müssen in die Häfen des Kontinents gelangen, um exportiert zu werden. Ein anderes konkretes Feld ist die Zusammenarbeit im Kampf gegen Seuchen: Malaria, Aids, Tuberkulose.

Was ist daran neu?

Erst mal gibt es mehr Geld, und das ist sehr wichtig. Wir wollen auch die bestehenden Hilfsinstrumente verbessern. Wir wollen eine effizientere Regierungsführung. Es gibt wichtige Veränderungen in Afrika. Manchmal sind es die afrikanischen Führer, die uns bitten, ihnen zu sagen, was bei ihren Regierungssystemen nicht funktioniert. Es gibt das System der gegenseitigen Evaluierung afrikanischer Regierungen. Jetzt wollen wir auch darüber reden, wie man die Wirksamkeit von Hilfe misst.

Sie treten für ein „politisches Europa“ ein, das mehr ist als eine Freihandelszone. Wollen Sie auch ein entsprechendes „politisches Afrika“?

Das müssen die Afrikaner entscheiden. Aber der Fall Europa ist lehrreich. In Afrika gibt es Konflikte, die ihre Wurzeln im Nationalismus oder in der Ethnizität haben – und Europa bedeutet die Überwindung gewisser Egoismen. Deswegen unterstützt zum Beispiel die EU die AU in der Konfliktlösung derart, dass unsere afrikanischen Freunde militärisch eingreifen und wir die Kapazitäten der afrikanischen Institutionen verstärken. Wir leben nicht mehr im vergangenen Jahrhundert, wo man von Nichteinmischung in innere Angelegenheit sprach. Wir gehören alle der gleichen Menschheit an. Für eine konstruktive Beziehung müssen wir Probleme zusammen diskutieren und angehen.

Sie wollen Afrika näher an die Weltmärkte bringen. In Afrika gibt es aber große Bedenken gegen die geplanten Freihandelsabkommen der EU.

Die Afrikaner werden davon profitieren, denn Länder, die Rohstoffe exportieren, brauchen offene Märkte. Afrika hat natürlich strukturelle Probleme, aber eine große Zukunft. China macht Fortschritte, weil es sich nicht mehr verschließt. Auch Afrika muss sich öffnen. Die Menschen in Afrika müssen im Ausland studieren können, und wir müssen menschliche Ressourcen dorthin bringen. Die Welt verändert sich, und wer sich verschließt, wird verlieren.

INTERVIEW: FRANÇOIS MISSER