Pazifist mit Kalaschnikow

Islamismus Seit Montag muss sich ein 30-Jähriger vor dem Frankfurter Oberlandesgericht verantworten. Er soll in Syrien für den IS gekämpft haben

Der Angeklagte mit seinen Anwälten beim Prozessauftakt am Montag Foto: Andreas Arnold/dpa

aus Frankfurt am MainChristoph Schmidt-Lunau

Lässig Kaugummi kauend, mit cooler Sonnenbrille, betritt am Montag der 30-Jährige den Saal II des Frankfurter Gerichts. Der gepflegte Mann trägt einen ordentlich getrimmten Kinnbart, bekleidet ist er mit einer schwarzen Jacke mit modischem Strickkragen, an den Füßen weiß-rote Sneaker. Als ihm der Vorsitzende Richter Thomas Sagebiel ein offenes und zügiges Verfahren verspricht, bedankt er sich artig mit einer kleinen Verbeugung und legt die rechte Hand aufs Herz.

Vor Gericht wird der Hilferuf verlesen, den Abdelkarim El B., gelernter Bürokaufmann mit Fachabitur, vor gut einem Jahr aus türkischer Untersuchungshaft an die Bundesregierung gerichtet hatte. In perfekten Deutsch preist der junge Mann darin Deutschland, „mein Land“, weil es die Menschenrechte achte. Er sei zu Unrecht in Haft, weil er ausschließlich in humanitärer Mission nach Syrien gereist sei. Er sei schließlich sogar ein in Deutschland anerkannter Kriegsdienstverweigerer.

Seine Tinte reiche nicht aus, um seine Verachtung für den Terrorismus zu beschreiben, schließlich diskreditierten die Terroristen seine Religion den Islam, versichert er in seinem Brief an die Bundesregierung und prangert seine „menschenunwürdigen“ Haftbedingungen in der Türkei an. Doch die Beweismittel, die die Bundesanwaltschaft für den Prozess gegen den Vater zweier Kinder zusammengetragen hat, sprechen eine gänzlich andere Sprache. Da gibt es ein Video, das die Polizei auf seinem Handy fand. Es zeigt die Schändung der Leiche eines vermeintlich „Ungläubigen“. Die Stimme des Angeklagten sei da zu hören, mit der Aufforderung, dem Toten Nase und Ohren abzuschneiden, was auch geschieht. Der Angeklagte habe seine IS-Kumpanen auch aufgefordert, der Leiche in den Kopf zu schießen.

El B., so die Anklageschrift, halte in dem Video schließlich „in Nahaufnahme“ auf den offenen Schädel, grinse in die Kamera und sage schließlich mit erhobenem Zeigefinger ein islamisches Glaubensbekenntnis auf. Die Personendaten des Angeklagten fand die Polizei zudem in einer Registrierungsliste des „Islamischen Staates“.

Er sei ausschließlich in humanitärer Mission nachSyrien gereist

Zu allem Überfluss entdeckte die türkische Polizei bei der versuchten Ausreise im Februar 2014 im Gepäck der Familie des Angeklagten bei einem Zwischenstopp auf dem Rückweg aus Syrien nach Frankfurt eine „zündfähige“ Rohrbombe.

Am Dienstag, dem zweiten Verhandlungstag, zeigt ein Beamter aus dem Landeskriminalamt vor Gericht Fotos, die er auf den beschlagnahmten Handys und Tablets der Familie finden konnte. El B. Posiert mit Kalaschnikows unterschiedlicher Bauart, vor einem zerschossenen Panzer, mit Sturmhaube und in Tarnhose mit einer „taktischen Weste“, mit Bajonett und Stielhandgranate.

Auch die abgehörten Telefongespräche legen nahe, dass El B. in Syrien als Kämpfer des „Islamischen Staates“ ausgebildet und in Kriegshandlungen verwickelt war. Wie die widersprüchlichen Bilder dieses Prozesses zusammenpassen, kann, wenn überhaupt, nur der Angeklagte erklären. Doch der will sich erst einmal weder zu seiner Person noch zu den Vorwürfen äußern.