IM HEIMATHAFEN
: Hymnenhandel

Auf Kampnagel angeblich ein Kassenschlager

Seit Wochen zerriss es mich fast: Soll ich Weihnachten nach Hamburg fahren? Hin? Oder lieber nicht? Doch auf das Unbewusste ist Verlass: Volkstheater im Heimathafen. Wer hatte noch die Idee?

Für drei Tage war dort „Der Firmenhymnenhandel“ zu Gast. In Hamburg „auf Kampnagel“ angeblich ein Kassenschlager, machte es Neukölln zum Tor zur Welt. Vor der Tür lauter Hamburger, die sich vielleicht auch fragten: Weihnachten hin? Oder lieber nicht? Erst mal ’ne Pilsette. Das macht das Sitzfleisch gefügig.

Nützt aber nichts. Die ersten verlassen den Saal noch ganz leise. Dann wird es albern, ich muss auch raus. Pinkeln. Und rauchen. Vorm Klo hören wir: „Aber der Alde könnte schon Schauspieler gewesen sein, näch? Konnte ja ganz gut reden, so.“ Als es dann in der Bar keinen Kaffee gibt, kack ich die Kellnerin an. Und bin wieder an der Elbe in dieser Stadt, in der die Trinker die Hacken zusammenschlagen, wenn man ihnen die Stühle vor dem Kiosk unterm Arsch wegzieht und der Bürgermeister ihnen von ganz weit oben auf den Kopf spuckt. „Voll geil ey, als der damals die Queen nicht unten an der Rathaustreppe abgeholt hat.“ Hier wacht der Migrant bereits am ersten Morgen in seinem Elend als waschechter Hanseat auf. Das ist Integration. Damit der Zauber wirkt, muss man aber dort sein.

Oder besser fern bleiben?

Der Rheingauer Gisbert zu Knyphausen hatte meine Perle so schön besungen: „Wir wurden geboren und wir sterben / und danach weht der Wind wie immer / und ein Mensch geht die Stufen / Hinunter zum Fluss, legt seinen Kopf in die Nacht / und die Füße in den Sand und sieht / auf die gewaltigen Tiere / mit metallenen Krallen / mit Neonlicht-Augen / und die Container, die fallen / unter grandiosem Gepolter / in den hungrigen Bauch / eines uralten Frachters …“

Im Sommer fahre ich vielleicht mal hin. ANTONIA HERRSCHER