Berliner Szenen
: Neue Nachbarn

3.000 Euro warm

Das Schuhregal im Hausflur ist die einzige Veränderung

Die Wohnung unter uns ist jetzt eine Sozialwohnung. Ich glaube, wir wohnen im letzten Haus in Pankow, in dem es noch Wohnungen für unter 1.000 Euro im Monat gibt. Deswegen wird jede Bude, die in unserem Haus frei wird, ab jetzt zur Sozialwohnung deklariert. Die Wohnungsbaugesellschaften sind verpflichtet, einen Teil ihrer Wohnungen auf WBS-Schein zu vermieten.

„Da kommt jetzt eine Frau mit vier Kindern“, schwarzmalerte unsere Nachbarin. „Das Baby ist ein Schreikind, der Dreijährige macht alles kaputt, der Achtjährige spielt dauernd Egoshooter und der Teenager hört den ganzen Tag Death Metal.“

Schreckliche Szenen spielten sich vor unserem inneren Türspion ab. Jede Nacht Polizei, Kotze im Hausflur, abgerissene Briefkästen. Ade, du schönes Spießerleben!

Dann kam Ashley. Ashley war ein winzig kleines Punkmädchen mit einem noch winzigeren Kind auf dem Arm, welches fröhlich an einem pinkfarbenen Plüschtotenkopf nuckelte und „Hei!“ sagte, als ich es kitzelte. Ashley sprach mit einem feinen thüringischen Akzent und stellte bald darauf ihr Schuhregal in den Hausflur. Seither riecht es im Haus nach Gummi. Das ist aber auch schon die einzige Veränderung.

In einer meiner Facebook-Gruppen wird eine Wohnung in Friedenau zur Miete angeboten für fünf Jahre. Sieben Zimmer, zwei Bäder, Altbau, Balkon, Terrasse, vollsaniert. Kaltmiete 2.460 Euro, warm etwa 2.900. Ich konnte es mir nicht verkneifen und habe einen Kommentar darunter gesetzt: „Mensch, nich ma 3.000 Euro für fünf Jahre wohnen! Das nenn ich mal ein faires Angebot!“

Im Ernst: Was arbeiten Leute, die sich 3.000 Euro Miete im Monat leisten können? Mit wem schlafen die? Wen müssen die töten? Das möchte ich gerne mal wissen. Sachdienliche Hinweise bitte an mich. Danke.

Lea Streisand