Ist die Solidarisierung mit Gina-Lisa Lohfink richtig?

Vergewaltigungsprozess Die Verurteilung des Models wegen falscher Verdächtigung sorgt für heftige Kontroversen

Man kann sich fragen, ob Gina-Lisa Lohfink zu Recht 20.000 Euro Strafe wegen falscher Verdächtigung zahlen muss. Keine Frage ist dagegen, dass die Solidarität, die sich im Hashtag #TeamGinaLisa ausdrückt, wichtig ist.

Es gibt viele Frauen, die sexualisierte Gewalt erleben und diese nicht anzeigen. Aus Angst, dass ihnen nicht geglaubt wird. Aus Mangel an Beweisen. Schließlich war die ein oder andere selbst betrunken in der Nacht, als es passierte.

Das Signal dieses Schuldspruchs ist vor allem: Pass auf! Wenn du nicht felsenfeste Beweise für eine Vergewaltigung hast, dann lass die Anzeige lieber. Sonst könnte es eine Gegenklage geben.

Vielleicht sind da sogar Zweifel selbst von Freund_innen und der Familie: Zu viel getrunken? Einmal zu zweideutig geantwortet? Kann ein zu kurzer Rock nicht doch missverstanden werden?

#TeamGinaLisa entstand, um Solidarität mit einer Frau zu zeigen, die in der Berichterstattung über den Fall vor allem als aufmerksamkeitsgeile Skandalnudel gezeichnet wurde. Über ihr Äußeres wurden in den Medien Schlüsse auf den Wahrheitsgehalt ihrer Aussage gezogen.

Wie sieht ein „richtiges“ Opfer aus und wie verhält es sich? Vor Gericht spielen Fragen wie diese subkutan auch eine Rolle. Es braucht #TeamGinaLisa, um stereotype Bilder zu hinterfragen. Es braucht ein #TeamGinaLisa, um all denjenigen ein Zeichen zu senden, die nach einer Vergewaltigung denken, dass ­ihnen ohnehin niemand glaubt. Es gibt auch unbegründete, falsche Anklagen. Für die Opfer, zumeist Männer, ist das eine traumatische Erfahrung.

Es gibt aber noch mehr Vergewaltigungsopfer, die gar nicht erst anzeigen – aus Angst vor einer erneuten traumatischen Sezierung. Daraus lässt sich keine Aussage über den einzelnen Fall ableiten. Auch nicht über diesen. Lohfink jedenfalls wird in Berufung gehen. Katrin Gottschalk

Mag das #teamginalisa noch so sehr über die Verurteilung von Gina-Lisa Lohfink schimpfen, mögen ihre UnterstützerInnen den Gerichtssaal mit Buhrufen überziehen, wie am Montag geschehen, es ist richtig, dass Lohfink wegen falscher Verdächtigung erstinstanzlich zu einer Geldstrafe verurteilt wurde. Denn der Prozess hat gezeigt, dass eine Sedierung und Vergewaltigung durch zwei Männer so nicht stattgefunden hat.

Die Liste der Ungereimtheiten ist lang. Umfangreiche Videoaufnahmen zeigten keinen Zwang. Sachverständige schlossen mit großer Wahrscheinlichkeit aus, dass K.-o.-Tropfen zum Einsatz kamen. Eine Gynäkologin hatte kurz nach der angeblichen Vergewaltigung weder frische oder ältere Hämatome noch Kratzspuren oder Verletzungen festgestellt. Lohfinks „Hör auf“ bezog sich laut der Richterin Antje Ebner aufs Filmen. Als sie einmal wirklich keinen Sex mehr wollte, hätte ein Angeklagter sofort aufgehört.

Nicht nur FeministInnen solidarisierten sich mit Lohfink, sondern auch die BundesministerInnen Heiko Maas und Manuela Schwesig von der SPD. Ohne Aktenkenntnis forderten sie eine Verschärfung des Sexualstrafrechts. Ein fatales Zeichen. Dabei hat Richterin Ebner recht, wenn sie sagt, der Fall habe nicht zur Verschärfung des Sexualstrafrechts geführt. Die Vorgänge der Kölner Silvesternacht waren der Anstoß dafür. Lohfink hat sich dennoch als Vorkämpferin für Frauenrechte stilisiert, hat das Gericht als Bühne genutzt, sich medial geäußert, aber bis zuletzt nicht vor Gericht ausgesagt.

Gina-Lisa Lohfink taugt nicht als Galionsfigur des Feminismus. Im Gegenteil: Sie hat mit ihren Vergewaltigungsvorwürfen, die vom Gericht als falsch verurteilt wurden, allen Frauen und Männern, die tatsächlich Opfer von sexualisierter Gewalt werden, geschadet. Daran sollte das #teamginalisa denken, wenn Lohfink in Berufung geht. Paul Wrusch