Kommentar Verurteilte Fluchthelfer: Jede Strafe ist zu hoch

Solange Schlepper ihren Job ordentlich machen und die Menschen nicht in den Tod schicken, leisten sie Hilfe. Über europäische Doppelmoral.

Flüchtlinge sitzen im August 2015 am Straßenrand, es ist dunkel, ein großes Auto steht daneben

Flüchtlinge sitzen im August 2015 am Straßenrand in der Nähe von Passau. Ihre Fluchthelfer hatten sie aus dem Auto geworfen Foto: imago/epd

Egal zu welcher Strafe jemand verurteilt wird, der Menschen bei ihrer Flucht aus Not und Elend hilft: Sie ist zu hoch. Das ist leider nur eine moralische Bewertung, keine juristische. Die Gesetzeslage ist anders, ob in Griechenland oder Deutschland. Nur: Ist sie deswegen auch richtig? Sicher, diejenigen, die die Grenzen so dicht wie möglich haben wollen, werden Fluchthelfer stets als Kriminelle ansehen. Für alle anderen sollten sie das nicht sein. Denn unter der – entscheidenden – Voraussetzung, dass der Flüchtling heil dort ankommt, wo er hinwill, ist deren Handeln objektiv ein Akt der Humanität, selbst wenn subjektiv andere Motive zugrunde liegen.

Die Fluchthelfer, die einst Menschen von Ost nach West geschleust haben, galten in der Bundesrepublik als Helden – sogar dann, wenn sie dafür viel Geld genommen haben. In der DDR waren sie hingegen verbrecherische „Menschenschmuggler“. Alles nur eine Frage der Betrachtungsweise und der politischen Opportunität. Selbstverständlich sind Menschen, die anderen aus humanitären Gründen helfen, einem weitaus angenehmer als jene, denen es nur ums Materielle geht.

Doch so widerwärtig professionelle Schlepperbanden auch sind: Solange sie ihren Job ordentlich machen und die Menschen nicht in den Tod schicken, leisten sie Hilfe. Die Empörung sollte sich besser gegen eine Politik richten, die Flüchtlingen eine legale und sichere Einreise in die EU verunmöglicht. Denn das wäre das beste – und einzig wirklich wirksame – Mittel gegen das Schleuserwesen.

Aus welcher Motivation heraus der Pensionär Bernd Keller eine syrische Familie aus der Türkei nach Griechenland gebracht hat, lässt sich schwer beurteilen. Aber selbst wenn es ihm nur, wie die griechischen Behörden behaupten, um den schnöden Mammon gegangen sein sollte: Der Flüchtlingsfamilie ist das im Zweifel völlig egal. Sie will, dass ihre Flucht gelingt.

Dass der Linkspartei-Abgeordnete Diether Dehm zwar illegal, aber erfolgreich einen afrikanischen Jugendlichen von Italien nach Deutschland transportiert hat, erntet zu Recht Beifall bei allen, denen ihre Menschlichkeit bei dem unerträglichen Überfremdungsangstgelärme noch nicht abhandengekommen ist. Tatsächlich war es die sympathischste Aktion seiner Karriere. „Wenn Schutzbedürftige Hilfe brauchen, muss man ihnen helfen“, sagt Dehm. Ja, genauso ist es. Auch wenn das nicht wenige in diesem Land vergessen zu haben scheinen.

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