Der Fall des Samuel Salzborn

Rätselraten Warum ein Antisemitismusforscher in Göttingen gehen muss

Es ist vieles merkwürdig daran. Seit überraschend bekannt wurde, dass der Vertrag des Göttinger Antisemitismusforschers Samuel Salzborn. sein Vertrag auslaufen würde, gab es Proteste, auch international. Zuletzt hatte sich die Uni Göttingen in juristische Feinheiten geflüchtet: Salzborns Professur sei bis zum Sommersemester 2017 befristet, eine Verlängerung erlaube Niedersachsens Hochschulgesetz nicht.

Das Wissenschaftsministerium in Hannover sieht das allerdings anders: Die Uni hätte Salzborn auf seiner Professur auf Dauer berufen können, ohne die Stelle neu auszuschreiben, erklärte es auf taz-Anfrage. Zwar wäre dies ein „Ausnahmefall“, aber im Rahmen der Selbstverwaltung der Hochschulen möglich.

Warum soll Salzborn also gehen? Sachliche Gründe dafür findet man kaum. Seine Fakultät votierte einstimmig für seinen Verbleib, der Uni-Stiftungsrat zeichnete ihn mit einem Preis „für besondere universitäre Aktivitäten und Leistungen“ aus. Zudem holte Salzborn die prestigeträchtige wissenschaftliche Dokumentationsstelle für Demokratiefeindlichkeit der Landesregierung nach Göttingen und warb so immense Drittmittel für die Uni ein.

Wo es an nachvollziehbaren Gründen fehlt, schießen Spekulationen ins Kraut. Der Fachschaftsrat Sozialwissenschaften geht von einer „politischen Motivation“ des Uni-Präsidiums aus. Die Jüdische Allgemeine vermutet, die Mitgliedschaft in einer Studentenverbindung eines Präsidiumsmitglieds könnte eine Rolle spielen: Salzborn hatte sich politisch gegen Verbindungen starkgemacht. Ein Wiener Think Tank bringt gar die politische Vergangenheit von Uni-Präsidentin Ulrike Beisiegel in der Friedensbewegung ins Spiel. Belegen lässt sich davon nichts. Beisiegel bestreitet auf Nachfrage jeden Zusammenhang: „Als Beschäftigte im Öffentlichen Dienst sind die Mitglieder des Präsidiums der Universität zur Neutralität verpflichtet“, sagt sie.

Unwahrscheinlich, dass Salzborn in Göttingen bleibt. Zwar könnte er sich auf die neu ausgeschriebene Professur bewerben – ob er Chancen hätte, ist fraglich. Hätte die Uni ihn halten wollen, hätte sie die Ausschreibung passgenauer formulieren können. Dem Professor gewogene Studierende haben bei der Besetzung außerdem kein Mitspracherecht in der zuständigen Kommission – die rund 400 studentischen Unterzeichner eines offenen Briefs hält das Präsidium nach taz-Informationen für befangen.

Benjamin Laufer,

Christoph Hoeland