Ulrike Herrmann über den Nobelpreis für Ökonomie
: Banalitäten werden prämiert

Wie passt eine Theorie zur Realität? Diese Frage beschäftigt jede wissenschaftliche Disziplin. Aber nur in der herrschenden Volkswirtschaftslehre endet sie im Wahnsinn. Die diesjährigen Nobelpreise für Ökonomie zeigen erneut, wie banalste Erkenntnisse zu angeblich tiefgründigen Analysen geadelt werden – nur weil sie den theoretischen Mainstream nicht gefährden oder sogar zu bestätigen scheinen.

Ausgezeichnet wurden diesmal der US-Amerikaner Oliver Hart sowie der Finne Bengt Holmström, die in Harvard und am MIT lehren. Gewürdigt wurden ihre Beiträge zur „Vertragstheorie“, die sich zum Beispiel damit beschäftigt, ob der Staat seine Gefängnisse privatisieren sollte oder wie die Kreditverträge aussehen müssen, damit die Bank ihr Geld wiedersieht.

Hart stellte unter anderem fest, dass private Gefängnisbetreiber dazu neigen, beim Essen der Insassen zu sparen, um ihren eigenen Gewinn zu erhöhen. Wer hätte das gedacht. Da reicht schon Zeitungslektüre.

Bei den Banken fiel den beiden Vertragstheoretikern auf, dass eine Bank niemals so viel über eine Firma wissen kann wie der Firmenbesitzer – weswegen sie für Kredite erstens Zinsen und zweitens Sicherheiten verlangt. „So arbeiten tatsächlich die meisten Banken“, schreibt die Schwedische Reichsbank begeistert, die den Nobelpreis vergibt.

In der Tat. So arbeiten Banken – seit dem Mittelalter. Seit 700 Jahren verlangen sie Zinsen und Sicherheiten. Warum wird dafür jetzt ein Nobelpreis fällig? Die schwedische Reichsbank schreibt dazu: „Ökonomen haben nun verstanden, was Praktiker und Juristen schon immer wussten.“

Die Reichsbank gibt es also selbst zu: Ökonomen haben keine Ahnung von der realen Welt. Denn es zählen nur die mathematischen Modelle. Hart und Holmström wurden jetzt dafür prämiert, dass ihre Formeln zumindest zum Teil jenes Weltwissen integrieren, das alle anderen seit dem Mittelalter haben.

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