American Pie
: Hoffen auf die besten Zeiten

BasketballDerrick Rose, 28, hat Probleme mit seinem Körper und der Justiz. Dennoch setzen die ehrgeizigen New York Knicks auf den einstigen Jungstar

Genau das wollen die New Yorker Basketballfans sehen. Aufbauspieler Brandon Jennings geriet am Montagabend im Madison Square Garden im Vorbereitungsspiel der New York Knicks gegen die Washington Wizards mit Gegenspieler Casper Ware aneinander – und versenkte direkt darauf einen Drei-Punkte-Wurf und dem entnervten Ware wurde zudem noch ein Foul angerechnet. Neuzugang Jennings hat bei den Knicks-Fans bereits einen dicken Stein im Brett – der New Yorker liebt seinen Basketball hart und leidenschaftlich. „Diese Energie, diesen Einsatz wird er in jedem Spiel bringen“, schwärmte auch der neue Knicks-Trainer Jeff Hornacek nach dem 90:88-Sieg, „Brandon wird hier zum Publikumsliebling werden.“

Eine Rolle, die eigentlich für einen anderen Neuling vorgesehen war. Doch während der 27-jährige Jennings sich immer besser akklimatisiert, sitzt Derrick Rose irgendwo in Los Angeles und muss Fragen beantworten. Schon die ersten Vorbereitungpartien im Oktober hat der Aufbauspieler verpasst – die Polizei von L.A. prüft seit dem Frühsommer eine Vergewaltigungsklage gegen den Star, der zu Befragungen in Kalifornien weilt. Ob es zu einer Strafverfolgung kommt, ist noch unklar. „Die Anschuldigungen sind haltlos“, beteuert Rose immer wieder.

Der große Neuanfang des Derrick Rose hätte keinen schlechteren Start erfahren können. Die Knicks verpflichteten den 28-Jährigen in einem aufsehenerregenden Tauschgeschäft mit den Chicago Bulls. Seit seinem NBA-Debüt 2008 spielte Rose für seine Heimatstadt, entwickelte sich schnell zu einem der größten Stars der Liga. Nur drei Jahre später folgte mit der Auszeichnung zum wertvollsten Spieler der Saison der Karrierehöhepunkt – Rose ist der jüngste Akteur aller Zeiten, dem die höchste individuelle Ehrung der NBA verliehen wurde.

Seit der MVP-Saison allerdings ging es bergab für den 1,91-Meter-Mann: Im ersten Playoff-Spiel der Folgesaison riss das Kreuzband im linken Knie, Rose verpasste die Spielzeit 2012/13. Seitdem kamen langwierige Meniskus- und weitere Knieverletzungen hinzu. Von 312 Saisonspielen konnte Rose nur 166 bestreiten. An alte Glanztaten auf dem Parkett knüpft er seitdem nur noch selten an. Rose ist noch immer ein solider Spielmacher, Vorzüge wie Explosivität, Schnelligkeit und Wucht im Abschluss blitzen allerdings nicht mehr in der gewohnten Regelmäßigkeit auf. „Ich hege keinen Groll“, sagt Rose zum Abschied aus Chicago. „Sie haben mich in meinen besten Zeiten erlebt – aber ich bin sicher, dass ich diese noch einmal erreichen kann.“

Die Rollenverteilung in New York ist klar: Gesicht des Teams ist der langjährige Forward und Star Carmelo Anthony. Center Kristaps Porzingis, der hochtalentierte 21-jährige Lette, verkörpert die Zukunft. Rose soll ein Puzzleteil sein im großen Ganzen. „Er will sich noch einmal beweisen“, bemerkte Anthony nach den ersten Trainingseinheiten. „Er hat es noch immer drauf“, staunte Porzingis. „Er ist immer noch Derrick Rose.“

Dass die New Yorker mit dem verletzungsanfälligen Rose ein Risiko eingehen, ist unbestritten. Wohl nicht ohne Grund wurde daher auch Jennings verpflichtet, der auf der gleichen Position spielt, aber nur einen Bruchteil seines Salärs einstreicht. 21 Millionen US-Dollar wird Rose in dieser Saison verdienen und gehört damit noch zu den Topverdienern der Liga. Der bis nächsten Sommer gültige Vertrag ist ein Überbleibsel aus besseren Bulls-Zeiten.

„Wir machen uns keine Gedanken“ antwortet Team-Präsident Phil Jackson leicht genervt auf alle Fragen zu Rose. Auf dem Platz zieht vorerst sowieso Brandon Jennings die Aufmerksamkeit auf sich. David Digili