Über Krisen erfuhr man viel

Theater Viel PR, wenig Reflexion: ein Gespräch über das Theater in Zeiten globaler Krisen an der Schaubühne Berlin

Die Schaubühne in Berlin Foto: Gianmarco Bresadola

von Barbara Behrendt

Am Ende musste das Publikum ran: „Wie sehen die Handlungsstrategien der Theater denn aus?“, fragte eine Zuschauerin schließlich, als die Diskussion im voll besetzten Globe ­Theatre der Schaubühne schon in den letzten Zügen steckte. Endlich!, dachte man da. Vielleicht würden sich die hochkarätigen Thea­ter­leute auf dem Podium nun doch noch zum angekündigten Thema vorarbeiten: wie die Rolle des Theaters in einer politisch aufgeheizten Gesellschaft aussehen kann.

Der Intendant Thomas Oster­meier, der Schauspieler Ulrich Matthes und die Autoren Falk Richter und Maxi Obexer hatten zwar über manch Wichtiges in den vergangenen 90 Minuten gesprochen, über Gründe für das Entstehen der AfD, den Umgang mit rechter Gesinnung in Sachsen, die Verantwortung der Medien beim Schüren von Angst – nur eben nicht über das, worin nun einmal die eigentliche Expertise von Regisseuren, Dramatikern und Schauspielern liegt: das Theater.

„,Die Zeit ist aus den Fugen‘– wozu spielen?“, hieß die Veranstaltung. Untertitel: „Theatermacher befragen sich und den Sinn ihrer Kunst – im Angesicht globaler Krisen und individueller Verunsicherung: Was kann, was soll, wer braucht Theater?“ Doch blieben diese Fragen ungestellt, bis zur Steilvorlage der Zuschauerin.

Doch nur dem Schauspieler Ulrich Matthes gelang es, eine nachdenkliche Schlussbemerkung zu machen, die über das reine PR-taugliche Referieren eigener Arbeiten und Spielpläne hinausging: „Meine Utopie ist es, meine politische und persönliche Energie und Konzentration beim Spielen auf andere zu übertragen.“ Das mag nun nicht nach einer bahnbrechenden Erkenntnis klingen – und doch ist es eine persönliche Antwort auf die Kernfrage des Abends, zu der man die anderen Diskutanten ebenfalls gern gehört hätte.

Genügt es einem Autor und Regisseur wie Falk Richter, der für sein AfD-kritisches Stück „Fear“ an der Schaubühne von ebendieser Partei verklagt worden ist (bisher gewann er alle Prozesse), eine gewisse „politische Energie“ zu übertragen? Hat Kunst einen politischen Auftrag – und wie könnte der lauten? Wie positioniert sich der stark politisch geprägte Schaubühnen-Intendant Thomas Ostermeier zu dieser Frage, der doch zuvor in einem Halbsatz erwähnt hatte, dass das Theater für ihn „weder eine politische noch eine soziale Bewegung“ sei? Und was würde die Autorin Maxi Obexer entgegnen, die mit ihrem Doku-Stück „Illegale Helfer“ ein lupenreines Agitprop-Drama vorgelegt hat, das in der Flüchtlingsfrage keine Zwischentöne kennt?

Doch ein Gespräch zwischen den Diskutanten kam kaum zustande – vielmehr schien es Peter Claus, der die Diskussion fürs rbb-Kulturradio moderierte (Sendetermin 20. 10.), auf Einzelstatements angelegt zu haben. Matthes konstatierte bei sich etwa fehlendes Mitgefühl gegenüber AfD-Sympathisanten: „Ich versuche mir vorzustellen, was Tausende von SPD- und Grünen-Anhängern veranlasst hat, AfD zu wählen. Da versagt meine Empathie.“ Ostermeier dagegen mochte auch die politische Linke nicht aus der Verantwortung lassen: „Bei diesen Entwicklungen zeigt sich doch das Versagen der europäischen Sozialdemokratie.“ Richter pochte, ebenfalls mit Blick auf die AfD, darauf, dass heute die ganze Gesellschaft aufgerufen sei, die Demokratie zu verteidigen – ohne die Spielregeln der rechtsgerichteten Parteien zu übernehmen, indem man mit ähnlichem Hass agiere.

Obexer riss da schließlich der Geduldsfaden: „Es geht mal wieder nur um die AfD. Ich beanspruche meine Kunst als einen Ort des Widerstands. Wir sollten uns endlich die Frage stellen, was wir als Theater unternehmen können, statt ewig in diesem AfD-Sumpf herumstochern.“ Hier wurde die Debatte zwar hitziger – aber nicht produktiver. Obexer, das zeigte sich zumindest deutlich, möchte als Mitgründerin des „NIDS“, des Neuen Instituts für Dramatisches Schreiben, das mit dem Gorki Theater zusammenarbeitet, den politischen, theoretischen und künstlerischen Austausch von Autoren fördern – gern auch in Zusammenarbeit mit Aktivisten.

Ist das also die Richtung, die das Theater einschlägt? Autoren schreiben gemeinsam mit Aktivisten gesinnungstüchtige Stücke.

Die Grundfrage des Abends blieb, trotz Einsatz des Publikums, allenfalls ein Nebenschauplatz.