Es bleibt ein steter Kampf gegen Vorurteile

ANTIZIGANISMUS Studie zum Bildungserfolg von Sinti- und Roma-Frauen kratzt an gängigen Klischees

Der Weg zum beruflichen Erfolg ist steinig für Sinti- und Roma-Frauen. Sie haben täglich mit Diskriminierung in deutschen Bildungsinstitutionen zu kämpfen, müssen daher „enorm widerständig handeln“ und benötigen viel Unterstützung aus ihrer Familie, um sozioökonomisch aufzusteigen. Das ist das zentrale Ergebnis einer qualitativen Studie zu „Bildungsbiografien erfolgreicher Frauen aus Sinti- oder Romafamilien“, die am Mittwoch vorgestellt wurde.

17 ausführliche Interviews haben die Erziehungswissenschaftlerin Jane Schuch von der Humboldt-Universität und die Soziologin Elizabeta Jonuz von der Uni Köln geführt. Ihre Gesprächspartnerinnen sind Sinti-Frauen der zweiten und dritten Nachkriegsgeneration sowie Roma-Frauen, die im Kindesalter in den 90ern aus dem damaligen Jugoslawien geflüchtet waren oder deren Großeltern in den 1960ern als Gastarbeiter kamen. Sie kommen aus unterschiedlichsten Berufen, darunter Friseurin, Kinderpflegerin, Philologin, Rechtsanwältin, Sozialarbeiterin, Speditionskauffrau, Studentin. Diese Vielfalt aufzuzeigen sei eines ihrer Ziele gewesen, erklärte Schuch – auch um dem verbreiteten Vorurteil entgegenzutreten, die Sinti- und Roma-Frauen (also alle) heirateten früh und bekämen viele Kinder.

Auffällig sei, so die Wissenschaftlerinnen, dass ausnahmslos alle Frauen von Diskriminierungserfahrungen in der Schule berichtet haben: sei es, dass Lehrer klischierte „Zigeuner“-Literatur benutzten oder abwertend über Roma/Sinti reden, sei es, dass SchülerInnen hänseln und so weiter. Dagegen setzten die meisten Interviewten die „warme Welt der Familie“, in der sie Unterstützung für ihren Weg gefunden hätten.

Ein weiterer machtvoller Hinderungsgrund für Roma-Frauen, die als Flüchtlinge kamen, sei zudem der Aufenthaltsstatus, hält die Studie fest. „Also mehr als 20 Jahre illegal, also das war ein Kampf. Ein Kampf, in Deutschland zu bleiben, ein Kampf für ein besseres Leben, ein Kampf, nicht zu hungern“, wird etwa eine Frau zitiert, die es trotz ihrer rechtlich höchst unsicheren Situation als Papierlose geschafft hat, Altenpflegerin zu werden. Überhaupt sei „Kampf“ ein zentraler Begriff bei den Geschichten der Frauen.

Als Schlussfolgerung fordern die Wissenschaftlerinnen eine gesetzlich verankerte Förderung von Sinti und Roma im Sinne einer Positiv-Diskriminierung, um ihre Chancen auf Zugang zu Bildung zu erhöhen. Aber auch Änderungen in der Lehrerausbildung seien nötig, so Schuch. Offenkundig fehle es auch in der Bildungs-„Oberschicht“ an Wissen über die Minderheit, sagte Jonuz. „Sie denken antiziganistisch, meinen aber, sie seien gerecht.“ Susanne Memarnia