Debatte Donald Trumps Anti-Pluralismus: Zu schwul für Trump

Warum man als LGBT-Aktivist afghanischer Herkunft nur die Kandidatin Hillary Clinton wählen kann – ganz ohne Bauchschmerzen.

Donald Trump hält eine Regenbogenflagge mit der Aufschrift „LGBTs for Trump“

Trump will angeblich die LGBT-Community schützen, unterstützt aber Anti-LGBT-Gesetze Foto: reuters

Ich bin ein afghanischstämmiger US-Amerikaner. Ein urbaner, überqualifizierter Akademiker. Leute wie ich wählen typischerweise bei den amerikanischen Präsidentschaftswahlen demokratisch. Doch das allein erklärt noch nicht, warum mich dieses Mal die Wahlen so stark bewegen und beschäftigen.

Als exmuslimischer schwuler Mann und Campaigner für die Rechte von Lesben, Schwulen, Bisexuellen und Transgendermenschen (LGBT) in muslimischen Gemeinschaften bin ich mir vollkommen im Klaren darüber, wie viel dieses Mal für uns auf dem Spiel steht. Homosexuelle muslimischer Herkunft werden in muslimischen Ländern, deren Rechtssystem auf der Scharia basiert, kriminalisiert. Im Westen sind sie eine Minderheit in einer Minderheit – eine bedrohte Spezies, vergessen vom Rest der Welt. Doch das Wahlergebnis könnte diese Umstände ändern.

Die beiden Präsidentschaftskandidaten, Donald Trump und Hillary Clinton, haben völlig unterschiedliche Visionen von der Rolle der Vereinigten Staaten in der Welt. Trumps America-first-Isolationismus, Nativismus, sein Populismus und seine Xenophobie machen zivilgesellschaftliche Internationalisten und klassische Liberale wie mich, die an globale Zusammenarbeit glauben, sehr unruhig.

Und ich misstraue Trump abgrundtief. Hinter seinem Slogan „Make America Great Again“ ist der Unterton der rassischen Überlegenheit zu hören, die weiße, heterosexuelle Männer auf Kosten aller anderen privilegiert. Die Uhren zurückzustellen und in eine Zeit der US-Geschichte zurückzukehren, als Frauen und Minderheiten noch Bürger*innen zweiter oder dritter Klasse waren, beflügelt sicher nicht gerade die amerikanische Wirtschaft und macht uns schon gar nicht in irgendeiner Form sicherer.

Außerdem: Wo sollte in so einer Trump-Welt noch Platz sein für beispielsweise eine dunkelhäutige Transgender-Frau muslimischer Herkunft?

„Stronger Together“

Als jemand, der als Kind Verfolgung und Krieg entkommen ist, kenne ich mich mit Totalitarismus aus. Im Falle Afghanistans ist das soziale Gefüge der Nation – erst durch sowjetischen Kommunismus, dann durch islamistischen Dschihadismus – zersplittert.

Wenn wir das Leid der LGBT-Menschen in den muslimischen Ländern ignorieren, ist es auch für uns ein Rückschlag

Deshalb macht es mir Angst zu hören, dass Trump Autoritarismus propagiert, dass er droht, seine Konkurrentin einzusperren, Journalisten zu bestrafen und dass er alle möglichen Gruppen diskriminiert. Trump erwartet von uns irgendwie, dass wir seine intolerante, verfassungswidrige und gewalttätige Rhetorik nicht ernst nehmen – trotz des irreparablen Schadens, den er damit bereits angerichtet hat.

Die „Greatness“ oder Großartigkeit Amerikas, von der Trump so gern redet, besteht aber gerade in der Idee, Freiheit für alle Staatsbürger zu garantieren. Hillary Clintons Mantra des „Stronger Together“ (Zusammen stärker) steht für ein Amerika, in dem Frauen und Minderheiten als Gleiche angesehen werden, wo jeder sich entwickeln und entfalten kann.

Von dem Tag an, an dem Clinton ihre Präsidentschaft bekannt gegeben hat, habe ich mich deshalb hinter sie gestellt. Angesichts ihrer Expertise, ihrer Qualifikation und ihrer Erfahrung im Dienste der Öffentlichkeit war es für mich eine Selbstverständlichkeit, dass ich eine Kandidatin unterstützen würde, die sich für die Rechte von Kindern, Behinderten, Frauen und LGBT-Menschen einsetzt.

Scharfsinn und Klarheit

Da die Vereinigten Staaten noch immer die dominierende Macht in der Welt sind und auf der internationalen Bühne den größten Einfluss haben, erwarte ich von amerikanischen Präsidentschaftskandidat*innen vor allem Erfahrung und Wissen in der Außenpolitik. Nichts anderes spielt eine Rolle, wenn die Welt aus den Fugen gerät und das internationale System in Anarchie und Chaos stürzt.

Clinton hat gezeigt, dass sie sich auf der internationalen Bühne mit Scharfsinn, Klarheit und der nötigen Sensibilität bewegen kann – und trotz aller diplomatischen Hürden nach machbaren Lösungen sucht. Clinton versteht beispielsweise, dass man die Nato als Sicherheitsrahmen braucht, um Russlands Einfluss in Europa und dem Nahen und Mittleren Osten etwas entgegenzusetzen.

Trump dagegen ringt noch immer damit, herauszufinden, was bei der Außenpolitik und der nationalen Sicherheit überhaupt seine Positionen sind. Nachdem er rund ein Jahr lang die Position verteidigt hatte, dass Muslimen vorerst die Einreise in die USA verwehrt werden müsse, zog er nun seinen Vorschlag zurück.

Trump hat auch versucht, aus dem Anschlag auf den schwulen Nachtclub in Orlando, bei dem im Juni 49 Menschen getötet und 53 verletzt wurden, Kapital zu schlagen. Er versprach der LGBT-Community, sie zu beschützen vor jener militanten Strömung im Islam, auf die der Terrorismus sich beruft. Und doch unterstützt er weiterhin Anti-LGBT-Gesetze und hat geschworen, Richter*innen zu berufen, die die Entscheidung des Supreme Court, des Obersten Gerichtshofs in den USA, für die Homo-Ehe wieder zurücknehmen.

Desinteresse der LGTB-Aktivisten
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Inmitten dieser Kämpfe lastet mir das Schicksal der LGBT-Menschen in der muslimischen Welt schwer auf der Seele. Warum interessieren sich so wenige bei uns in der westlichen Welt für sie? Viele führende LGBT-Aktivisten ignorieren meine Appelle. Möglicherweise befürchten sie, als islamophob zu gelten, wenn sie mit mir oder dem Thema in Verbindung gebracht werden.

Aber es ist ein riesiger Unterschied zwischen dem antimuslimischen Fanatismus des Herrn Trump und meiner inhaltlich fundierten Kritik an der Theologie des Islam, die Gewalt gegen Homosexuelle und andere Minderheiten legalisiert. Wenn wir das Leid der LGBT-Menschen in den muslimischen Ländern ignorieren, ist es auch für uns ein Rückschlag und wird uns verfolgen.

Ich vertraue darauf, dass eine Präsidentin Clinton, egal welche Fehler sie ansonsten haben mag, für uns eintreten wird. Ich bin überzeugt, dass sie sich für die LGBT-Rechte rund um den Globus einsetzt. Die vielen Millionen LGBT-Menschen überall in der muslimischen Welt, die für ihre Rechte kämpfen und weit davon entfernt sind, frei und gleich leben zu können, können jeder Hilfe gebrauchen.

Übersetzung: Silke Mertins

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ist 1979 geboren und der erste Afghane, der sich öffentlich als schwul outete. Er lebt heute in Washington D.C., setzt sich für LGTB-Rechte in der muslimischen Welt ein und arbeitet an seinem ersten Roman. Man kann ihm auf Twitter unter @nemat­sadat folgen.

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