Rundum-sorglos-Paket

Energie In der EU soll weniger Strom verbraucht werden, um die Klimaziele zu erreichen. Weh tun soll das niemandem. Dennoch hagelt es Kritik am neuen „Winterpaket“

Verbotene Energieverschwendung: Glühlampe Foto: Thomas Kienzle/ap

Aus Brüssel Eric Bonse

Das größte „Winterpaket“ aller Zeiten bietet für jeden etwas: Die Anhänger der Marktwirtschaft im Energiebereich werden von der EU-Kommission in ihren Plänen zur Zukunft der Energieversorgung ebenso bedacht wie die Klimaschützer, Häuslebauer genauso wie Hartz-IV-Bezieher, die ihre Stromrechnung kaum zahlen können. Dennoch hagelt es Kritik – von allen Seiten.

„Der Vorschlag der EU-Kommission zeichnet sich durch gähnende Leere aus. Die bestehende Erneuerbaren-Richtlinie wird entkernt“, kritisiert Claude Turmes, energiepolitischer Sprecher der Grünen im EU-Parlament. Energieeffizienz werde falsch definiert, der Vorschlag könne zur „Wachstumsbremse“ werden, warnt der Verband der Chemischen Industrie.

Dabei wollen die Energiekommissare Miguel Arias Canete und Maroš Šefčovič nur das Beste. „Ich bin besonders stolz darauf , dass wir das verbindliche Ziel einer Steigerung der Energieeffizienz um 30 Prozent erreicht haben“, betont Canete. „Europa hat zuletzt die globale Klimapolitik angeführt und wird auch jetzt mit gutem Beispiel vorangehen“, lobt Šefčovič.

Das mehr als 1.000 Seiten dicke Rundum-sorglos-Paket versucht, die Ziele des Klimagipfels von Paris 2015 mit den Wünschen der Industrie zu vereinbaren. Bis 2030 sollen 30 Prozent weniger Energie verbraucht werden als 1990. Bisher galt ein Einsparziel von 27 Prozent, Klimaschützer fordern 40 Prozent. Die EU mache nur business as usual, kritisiert das Klimaschutznetzwerk CAN.

Durch die neuen Vorgaben sollen EU-weit 400.000 Jobs geschaffen und durch die geringere Einfuhr von Öl und Gas 70 Milliarden Euro gespart werden.

Allerdings gibt es Gewinner und Verlierer. Zu Letzteren dürften – zumindest in Deutschland – die Produzenten von Wind-, Sonnen- und Biomasseenergie gehören. Denn der Einspeisevorrang, bei dem im Normalfall erneuerbare Energien zuerst ins Stromnetz fließen, fällt weg. Allerdings nur bei neuen Installationen und nicht bei kleinen Anlagen. Häuslebauer hätten also nichts zu fürchten, heißt es.

Konsumenten sollen leichter ihre Stromrechnung verstehen und ihren Anbieter wechseln können. Für Versorger soll es schwerer werden, wegen nicht bezahlter Rechnungen den Strom abzuschalten. An den hohen Preisen ändert das allerdings nichts.

„Europa wird mit gutem Beispiel vorangehen“

Kommissar Maroš Šefčovič

Der Verbraucher zahle 3 Prozent mehr, obwohl die Marktpreise gesunken seien, räumen Experten der EU-Behörde ein. Dies liege aber nicht an Brüssel, sondern an Steuern und Abgaben, die die Nationalstaaten erheben. Um die Stromrechnung zu drücken, werde man sich auch um bessere Wärmedämmung und energiesparende Haushaltsgeräte kümmern, gelobt die Kommission.

Reicht das? Oder schießt es sogar über das Ziel hinaus, wie der CDU-Europaabgeordnete Herbert Reul fürchtet? „Ambitionierte Ziele sind nie verkehrt, wobei ich mich schon frage, ob Vorgaben für Parkplätze für Elektroautos den Bogen nicht wieder einmal überspannen“, so Reul. Geplant ist, dass Aufladestationen für Elektrofahrzeuge künftig für alle Neubauten Pflicht werden. Allerdings muss dieser Vorschlag wie das gesamte „Winterpaket“ noch von den 28 EU-Staaten und dem Europaparlament diskutiert und gebilligt werden.

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