Clonks von Freunden

Konzert Das britische Elektronikduo Autechre begeistert im Berliner Kraftwerk

Auch in der fragmentierten Berliner Technoszene gibt es Momente, auf die sich alle einigen können. Der Auftritt des britischen Elektronikduos Autechre am Samstag war so einer. Seit Wochen ist ihr Konzert im Kraftwerk ausverkauft. 1.500 Menschen drängeln sich. Im Publikum ist das gleiche Schwarz wie in der Schlange vor dem Berghain tonangebend. Die Decke der riesigen Halle lässt sich kaum ausmachen, nur einzelne Spotlights streifen über die Betonpfeiler.

Als Autechre die Bühne betreten, erlöschen auch diese – das Duo spielt in völliger Dunkelheit. Auf der Bühne werkeln Rob Brown und Sean Booth im bläulichen Schein ihrer Bildschirme. Das nordenglische Duo reiht Sound an Sound, ohne dass Zuhörer zwischen dem metallischen Clonks, den grummelnden subsonischen Bässen und den gezuckerten Flächen eine direkte Beziehung herstellen könnten.

Nach 20 Minuten zerschneidet ein Loop aus Sägezahnsounds den Raum. Arme fliegen in die Luft, Autechre werden lauter und zerhäckseln den Loop genüsslich. Die beiden verweigern sich der Kommunikation mit ihrem Publikum, es gibt keine Ansagen, trotzdem wirkt ihr Konzert intim. Elf Alben haben sie bis jetzt veröffentlicht, immer sind Spurenelemente von HipHop im Sound auszumachen. Wobei sich Autechre anstelle von Beats und Raps eben Bleeps und Sequenzen um die Ohren schmeißen. Zerlegt der eine einen Sound in nur Millisekunden in seine Einzelteile, setzt der andere die wummernde Bassdrum dagegen, nur selten bleibt sie im Viervierteltakt. Man glaubt, zwei Freunden zuzuhören, versteht nicht alles, weiß aber, dass genau diese Anordnung so niemals wieder zu hören sein wird.

Nach rund einer Stunde finden Bassdrum und Sounds wieder kurz zueinander und Autechre nähern sich auf klanglicher Ebene dem Minimal-Dancefloor Berlins an. In die schwarz gekleidete Masse kommt nun Bewegung, so viel wie nie zuvor. Dann bricht der Rhythmus ab. Brown und Booth widmen sich wieder der idiosynkratischen Bearbeitung ihrer Sounds. Unter einem verhallten Synthie-Sound endet ihr Konzert mit einer Antiklimax. Minutenlang gejubelt wird trotzdem: Alle haben zwei Musikern zugehört, die kompromisslos um sich selbst kreisen. Und gerade dafür bewundert werden. Christian Werthschulte