Klima- und Umweltschutz in Brasilien: Waldzerstörung schreitet voran

Die Abholzung macht Brasiliens Klimapolitik lächerlich. Experten kritisieren ein von Deutschland mitfinanziertes Projekt als sinnlos.

Abgeholzte Bäume liegen auf einer grünen Fläche

Da legt's sie nieder: Waldzerstörung in Brasilien Foto: reuters

Brasilien sieht sich gern als Vorreiter im Klimaschutz. Es werden ehrgeizige Emissionsreduzierungen verkündet und auf den seit 2009 erfolgreichen Kampf gegen die Rodung des Amazonas-Urwalds hingewiesen. Die jüngste Hiobsbotschaft in Sachen Abholzung passt so gar nicht in dieses Szenario: Der Waldverlust ist im vergangenen Jahr sprunghaft angestiegen und erreichte mit fast 8.000 gerodeten Quadratkilometern – was dreimal der Fläche des Saarlands entspricht – fast den Negativrekord von 2008.

Obwohl Brasilien bis 2030 die Treibhausgase um über 40 Prozent senken will, weist die aktuelle Tendenz in die entgegengesetzte Richtung: Im letzten Jahr stiegen die Emissionen um gut 3 Prozent, was angesichts der Wirtschaftskrise vor allem auf die zunehmende Entwaldung zurückgeführt wird. Auch im mexikanischen Cancún, wo am Sonntag die 13. UN-Konferenz zu biologischer Vielfalt begann, dürfte das brasilianische Beispiel für schlechte Stimmung sorgen.

Das Nationale Institut für Weltraumforschung (Inpe) berichtete, dass der Waldverlust im Amazonasgebiet zwischen August 2015 und Juli 2016 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 29 Prozent angestiegen sei.

Die Umweltorganisation WWF sprach von einer „gefährlichen Trendwende“. Umweltschützer befürchten, dass der diesjährige Amtsantritt des konservativen Präsidenten Michel Temer und das Erstarken der Agrarlobby im Parlament langfristige ökologische Auswirkungen hat. Schon Temers Vorgängerin Dilma Rousseff trieb große Projekte zur Erschließung des Amazonasgebiets voran und zeigte wenig Interesse, Schutzgebiete für Indigene zu demarkieren. Strittige Klimaschutzinstrumente wie der Kohlenstoffhandel im Rahmen von REDD (Reducing Emissions from Deforestation and Forest Degradation), bei dem Waldschutz in Ländern des Süden durch Industriestaaten finanziell unterstützt oder mittels Handel von Emissionsrechten gefördert wird, sind bei Regierungen und bei vielen lokalen NGOs sehr beliebt.

Das Für und Wider solcher Maßnahmen treffen derzeit im nordbrasilianischen Bundesstaat Acre aufeinander. Mit vielen Millionen unterstützt die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) 2013 ein Projekt der Landesregierung, das durch die Schaffung neuer Einkommensquellen die Emissionen durch Entwaldung reduzieren soll. Für Karl-Heinz Stecher von der KfW handelt es sich um ein transparentes Vorhaben, das Kleinbauern, Kautschukzapfern und Indigene dabei unterstützt, nachhaltig zu wirtschaften.

Alternative Einnahmequellen sind schlecht geplant

Umwelt- und Menschenrechtsorganisationen wie Urgewald sehen dies anders. Es gebe zahlreiche Mängel bei der Umsetzung sowie in der Methode, sodass es nicht möglich sei, von einer gelungenen Maßnahme zu sprechen, kritisiert die Waldexpertin Jutta Kill. „Viele Maßnahmen zur Schaffung alternativer Einnahmequellen sind schlecht geplant und damit wirkungslos. Viele neu angelegte Fischteiche sind zum Beispiel ausgetrocknet.

Und die eigentlich gute Idee, Palmen der beliebten Açaí-Frucht anzubauen, scheitert an fehlender Verarbeitung und Vermarktung“, sagt die Biologin, die zuletzt im August Acre besuchte und zu den Wirkungen des mit deutschen Geldern finanzierten Pilotprogramms recherchierte. Urgewald will mit anderen Organisationen demnächst einen Bericht mit den Ergebnissen von Kill und Forschern von vor Ort veröffentlichen.

Außerdem moniert Kill, dass viele Ursachen der Waldzerstörung nicht in das Programm aufgenommen wurden, während andererseits Gelder für Dinge ausgegeben werden, die nichts mit Waldschutz zu tun haben. „Sowohl vonseiten der KfW als auch der Regierung von Acre fehlt es an Transparenz. Bei einem Vorzeigeprojekt muss auch eine Evaluierung von außen ermöglicht werden“, sagte Kill der taz. Fragwürdig sei zudem die Berechnung der angeblichen Emissionseinsparung. So enthält der Vergleichszeitraum 2001 bis 2010 die Spitzenjahre der Waldvernichtung durch Viehzucht und Holzeinschlag.

Laut den jüngsten Zahlen von Inpe ist Acre nach dem Staat Amazonas die Region, die bei der Abholzung am schlechtesten abschnitt: Dort ist die Waldzerstörung gegenüber dem Vorjahr um 47 Prozent angestiegen.

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