MUSIK

MusikPhilipp Rhensiushört auf den Sound der Stadt

Der Sound der Stadt droht in der Adventszeit ja auch in Berlin unterzugehen – wie im Rest der christlichen Welt wird man auf Weihnachtsmärkten und in Einkaufszentren mit zwangsbesinnlicher Feiertags-Muzak zugedröhnt.

Nichts kommt da gelegener als ein Sound, der die Gehörgänge ordentlich durchspült. Am Donnerstag lädt zu diesem Zweck das Londoner Dubstep-Label „Deep Medi“ zum „X-Mas Skank“ in den Gretchen Club. Mit DJs wie Mala, der als Gründer des Labels nicht nur als Gralshüter, sondern mit seinem jüngsten Album auch die rhythmischen Experimentierfreude des Stils auf eine neue Ebene hob, sowie Compa, Commodo und der Berlinerin Sarah Farina, versprechen die gigantischen Hallräumen, harmonischen Kontrasten und subkutanen Bässen eine akustische Reise ins Innere (Denkapparat) und Äußere (Haut, Körper) des Selbst (Obentrautstr. 19–21, 8. 11., 23 Uhr).

Dass es bei aller Sympathie zu diesem Musikstil wie in vielen anderen auch 2016 ein Gender-Egalitätsproblem gibt, hat sicher nichts mit der Musik selbst zu tun, sondern mit der patriarchalischen Gesellschaft. Das ebenfalls an diesem Tag beginnende „Heroines of Sound Festival“ positioniert sich positiv dagegen. Drei Tage lang widmet es sich Pionierinnen und aktuellen Vertreterinnen der elektronischen Musik (8.–10. 12., HAU2, Hallesches Ufer 32, www.heroines-of-sound.com).

Freitags empfiehlt sich nach dem Besuch der Galerie Braen­nen, wo die Klangkünstlerin Miako Klein in „Shiro. Concepts of white“ ein energetisches Feld zwischen Leere und Fülle erfahrbar macht (Stresemannstr. 25, 9. 11, ab 15.30 Uhr), das Konzert im HAU2. Es beginnt mit einer Hommage an die Komponistinnen der „Groupe de Recherches Musicales“ Monique Rollin, Christine Groult und Beatriz Ferreyra und schließt mit dem Ensemble KNM Berlin, einer Uraufführung von „InSomnis“ der französischen Komponistinnen Clara Maïda und Loïse Bulot (Hallesches Ufer 32, 20 Uhr).

Wer nach so viel Abstraktion Besinnlichkeit sucht, sollte am Sonntag, nein nicht in die Kirche, sondern ins Spektrum gehen. Dort geht es im Rahmen der „Sound Portraits“ ebenfalls um eine weibliche Hauptfigur der elektronischen Musik: Pauline Oliveros, die erst kürzlich verstorbene US-Komponistin, wurde vor allem mit dem Konzept des „deep listening“ bekannt, eine Methode für ein größeres Hörbewusstsein für die Welt der Klänge und die Klänge der Welt (Bürknerstr. 12, 11. 12, 20 Uhr). Wer weiß, vielleicht hilft die Lehrstunde ja auch beim nächsten Marktbesuch dabei, sich Whams „Last christmas“ und das Klirren der Glühweintassen zu einem Stück Musique Concréte zurechtzudenken.